Britisches Pfund im freien Fall
Die Pläne der neuen britischen Premierministerin Liz Truss zu Steuersenkungen haben das britische Pfund heute regelrecht abstürzen lassen. Der Kurs für ein Pfund fiel in der Nacht auf Montag in Asien auf Werte von unter 1.02 CHF. Derzeit hat sich das Pfund auf einen Stand von lediglich noch ca. 1.06 CHF/GBP etwas erholt. Die in Aussicht gestellten Steuersenkungen (für Unternehmen und private Haushalte) sind im Umfang von 1.5% der Wirtschaftsleistung, was seit 1972 die grösste Reduktion der Steuerlast darstellt. Ob Steuersenkungen zu einer Ankurbelung des Wirtschaftswachstums führen oder ob kurzfristige Impulse mittelfristig wegen reduzierter Ausgaben des Staates letztlich zu einem Nullsummenspiel führen, ist bei Volkswirtschaftlern umstritten. Dass diese Steuersenkungen kurzfristig zu einer weiteren Ausweitung der Staatsverschuldung führen werden, ist aber absehbar und sind der Grund für den jüngsten Ausverkauf des Pfunds und von Britischen Staatsanleihen.
Dies könnte die Bank of England zwingen, den Währungseinbruch durch noch energischeres Drehen an der Zinsschraube zu bremsen. Eine Massnahme die wiederum den Versuch einer Konjunkturbelebung im Keim ersticken könnte. Strukturelle Defizite in der Wirtschaft lassen sich leider kaum durch Umlenkungen der Zahlungsströme vom Staat in die Privatwirtschaft oder umgekehrt lösen. Es wäre ja auch zu einfach, wenn man, sozusagen am Schreibtisch, die Produktivität der Wirtschaft durch Steueranpassungen verbessern könnte.
Die Staatsverschuldung des Vereinigten Königreichs ist zwar mit etwa 95% (Brutto Staatsverschuldung in % des BIP) noch nicht so hoch wie jene Italiens, welche schon 150% erreicht hat. Aber die gegenwärtigen Zinsen (Verfallsrenditen) für 10-jährige britische Staatsanleihen sind mit 4.15% in den letzten Wochen sprunghaft auf nahezu italienische Levels (4.46%) geklettert.
Neue Regierung in Italien und neue Eurokrise?
Auch die gestrige Wahl einer stark nach rechts orientierten Regierung in Italien hat Spuren bei den Zinsen für italienische Staatsanleihen hinterlassen. Die Verfallsrenditen für 10-jährige Anleihen sind im September um ca. 0.40% gestiegen. Die erste weibliche Premierministerin Italiens, Giorgia Meloni, dürfte gegenüber der Euromitgliedschaft keine Austrittfantasien mehr hegen. Auch die von Meloni scharf kritisierten 191 Milliarden EUR, die Italien aus dem Corona-Wiederaufbauprogramm der EU erhalten soll, nimmt sie nun wohl doch gerne entgegen. Allerdings wird sich zeigen müssen, ob ihre ausgabefreudigen Wahlversprechungen und die Steuersenkungen mit der labilen Lage Italiens an den Finanzmärkten kompatibel sind. Es ist auch für die seit dem zweiten Weltkrieg am stärksten nach rechts orientierte Regierung wohl unvermeidlich, die Finanzpolitik mit der durchaus ernsten Lage des italienischen Staatshaushaltes abzugleichen. Konflikte mit dem dringenden Wunsch sparsamerer Regierungen in der Eurozone, dass Italien seine Staatsverschuldung nicht weiter ausufern lassen möge, sind aber durchaus zu erwarten.
Das Dilemma der EZB, die Zinsen erhöhen zu müssen, wenn die Zinslast für stark verschuldete Länder wie ein Damoklesschwert über der Geldpolitik schwebt, trägt dazu bei, dass der EUR/CHF mit ca. 0.95 Rappen pro Euro nahe seinem Allzeit-Rekordtief verharrt. Die EZB hingegen wird erst am 27. Oktober die nächste Zinsanhebung von 0.5% oder gar erneut von 0.75% ankündigen. Man muss im Vorfeld dieses Entscheides aber vorausschauend mit weiteren Währungsbewegungen beim EUR und GBP rechnen.
Heutige Marktentwicklung und Anlagestrategie (Stand ca. 12:15 Uhr, 26.9.2022, Basel Zeit)
Der SMI-Index fällt heute um etwa 1% und auch der deutsche DAX-Index verliert gegenwärtig etwa 0.50%. Auch für die US-Aktienbörsen wird heute, nach den deutlichen Verlusten vom Freitag, erneut eine moderat negative Eröffnung erwartet.
In unserer Anlagestrategie halten wir den Aktienanteil weiterhin nur leicht über der strategisch neutralen Quote. Wir bleiben auch in der noch anhaltenden Korrektur zuversichtlich, dass die Aktienmärkte nach verlustreichen Monaten im laufenden Jahr, die Aufmerksamkeit wieder auf die Perspektiven im zweiten Halbjahr 2023 richten werden. Bei den Zinsanlagen haben wir die Laufzeiten (sogenannte Duration) etwas erhöht. Bisher hatten wir in unserer Anlagestrategie die Laufzeiten deutlich kurz gehalten. Diese Anpassung der Anlagestrategie trägt den inzwischen doch deutlich gestiegenen Zinsen für länger laufende Anleihen Rechnung.
Dr. Sandro Merino
Chief Investment Officer und Leiter BKB Asset Management
Erfahren Sie aus erster Hand die Einschätzungen unseres Chief Investment Officers, Dr. Sandro Merino, und überprüfen Sie Ihre Anlagestrategie mit Ihrer Kundenberaterin oder Ihrem Kundenberater.