Zielkonflikte in der Energiewende? – Das Klimagas «SF6»

Was Unternehmen über Zielkonflikte im Bereich Nachhaltigkeit wissen sollten und wie sie ihre nachhaltige Transformation professionell meistern. Heute im Fokus: das Gas «SF6», welches oft in der Produktion von Strom und dessen Verteilung eingesetzt wird – auch von erneuerbarem Strom.
Am 03.12.2021 in Nachhaltigkeit von Ekaterina Cámara

Darum geht's:

  • Schwefelhexafluorid (SF6) ist 25 200 Mal klimawirksamer als CO2 und somit schädlicher für die Umwelt.
  • Das Treibhausgas wird oft zur Produktion und Verteilung von Strom verwendet - auch von Strom aus erneuerbaren Quellen.
  • Was bedeutet dieser Zielkonflikt für die Klimaziele? Wie meistern Unternehmerinnen und Unternehmer den Umstieg auf nachhaltige Lösungen?
Weltweit ist es heute zur Priorität von Unternehmen geworden, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren: die Produktion von Strom aus erneuerbaren Energieträgern erreicht entsprechend immer wieder neue Rekordwerte. Was jedoch nur wenige wissen: Der erforderliche Ausbau der Netzinfrastruktur ist oft auch ein Einsatzbereich für ein gefährliches Treibhausgas – das Schwefelhexafluorid (SF6).

SF6 – stärkstes bekanntes Klimagas

Schwer vorstellbar, aber wahr: Schwefelhexafluorid (SF6) ist 25 200 Mal schädlicher als Kohlenstoffdioxid (Quelle: IPCC Climate Change 2021). Ein Kilogramm SF6 ist somit gleich wirksam wie 25.2 Tonnen CO2. Entsprechend ist dessen Nutzung eigentlich verboten - ausgenommen sind Industriebereiche, in denen es aktuell noch an marktfähigen Alternativen mangelt. So beispielsweise elektrische Hoch- und Mittelspannungsanlagen, wo SF6 heute oft als Isoliergas gebraucht wird. Früher, als man sich der starken Klimawirksamkeit von SF6 noch nicht bewusst war, kam es auch in Autoreifen, Fussballschuhnoppen und Schallschutzfenstern vor.

SF6 ist ungiftig, nicht brennbar und ein extrem gutes Isoliergas. Dank dieser Qualitäten eignet es sich für die Anwendung in kleinen, dezentralen Anlagen, wie sie vor allem für die ökologische Stromerzeugung durch Wind eingesetzt werden. Durch den SF6-Einsatz können die Anlagen kompakter ausfallen, als dies mit reiner Luftisolation möglich wäre. So kommt es, dass gerade die nachhaltige Energieversorgungsbranche nicht seltener auf SF6 setzt, als zentral angelegte konventionelle Grosskraftwerke.

Solange SF6 sicher in den elektrischen Schaltanlagen verbleibt, ist es unbedenklich. Entweicht es oder wird es nicht sachgemäss entsorgt, gelangt es jedoch in die Umwelt und wird zur Bedrohung für die globalen Klimaziele. In der Schweiz funktioniert der sorgfältige Umgang mit SF6 und die korrekte Entsorgung zwar vorbildlich, international gibt es aber Unterschiede.

Jährlich steigende SF6-Konzentration in der Atmosphäre

Grundsätzlich ist ein Wechsel auf alternative Isoliergase in jedem Fall erstrebenswert. Denn obgleich die SF6-Emissionen schweizweit äusserst gering sind (insgesamt unter 1% der gesamten Schweizer Treibhausgasemissionen, in CO2-Äquivalent) dauert es geschätzte 3 200 Jahre, bis sich das Treibhausgas in der Atmosphäre wieder abbaut. Unter anderem durch den starken Netzaus- und Umbau steigt der SF6-Anteil in der Atmosphäre zudem weltweit jährlich um 3-4% an – dies getrieben durch die unsachgemässe Entsorgung.

Langsam beginnt der Markt vor allem im Mittelspannungsbereich Ausweichmöglichkeiten für energieversorgende Unternehmen anzubieten. In Anbetracht der extremen Klimawirksamkeit des Gases, zahlt jeder Versuch, Alternativen zu etablieren, auf die Klimaziele ein. In der Schweizer Energieversorgung ist derweil ein Trend beim Neubau von Umspannwerken (sogenannte Unterwerke) ohne die Nutzung von SF6 zu verzeichnen.

Die SF6-Bilanz ist unerklärlich hoch

SF6 ist als Klimagas im Kyoto-Protokoll gelistet - Unternehmen sind somit verpflichtet, ihren SF6-Gebrauch zu melden. So stellte sich heraus: In der Schweiz sind die Emissionen aufgrund der Regulierung sehr gering, doch die weltweite SF6-Konzentration in der Atmosphäre ist unerklärlich hoch. Die Bilanz scheint nicht geschlossen zu sein und es entweicht womöglich viel mehr Schwefelhexafluorid als gedacht aus elektrischen Anlagen. Die erneuerbare Stromproduktion rückt hier als wesentlicher SF6-Nutzer ins Zentrum. Dieser Umstand heisst – besonders bei sachgemässer Entsorgung – zwar nicht, dass der Umstieg auf ökologischen Strom nicht trotzdem ratsam ist. Doch die Problematik steht beispielhaft für einen typischen Zielkonflikt im Rahmen der nachhaltigen Entwicklung: So ist es kein Einzelfall, dass eine bestimmte Massnahme, die auf die Klimaziele einzahlt (hier: Produktion und Verteilung von ökologischem Strom), sich hinsichtlich eines anderen Ziels eher negativ auswirkt (hier: Erhöhung der Treibhausemissionen).

Klimaziele & Zielkonflikte: Die Sustainable Development Goals

Die nachhaltige Entwicklung ist dynamisch, ambivalent, vielseitig und deshalb auch komplex. So beinhaltet das völkerrechtlich verbindliche Pariser Klimaabkommen von 2015 ein Gesamtsystem globaler Entwicklungsziele: die 17 Sustainable Development Goals (SDGs) (siehe Bild). Der Transformationsprozess selbst, bzw. dessen Operationalisierung mit Hilfe der Sustainable Development Goals, beinhaltet immer sowohl Zielkongruenzen als auch Zielkonflikte. Im Gegensatz zu den Zielkongruenzen, die sich positiv auf die Transformation auswirken, stellen Zielkonflikte zum Teil grosse Herausforderungen dar.
Wir unterstützen Unternehmerinnen und Unternehmer bestmöglich auf ihrem Weg zu weniger Treibhausgasemissionen.
Sarah Zaugg, Fachspezialistin Nachhaltigkeit
Sarah Zaugg, Fachspezialistin Nachhaltigkeit bei der Basler Kantonalbank ordnet diese Problematik aus ihrer Sicht ein: «Um diese Herausforderungen meistern zu können, ist es wichtig, frühzeitig das Bewusstsein für Zielkonflikte zu schaffen und mögliche Lösungen zu kommunizieren. So unterstützen wir beispielsweise Unternehmerinnen und Unternehmer hinsichtlich der SF6- und CO2-Thematik bestmöglich auf ihrem Weg zu weniger Treibhausgasemissionen. In solch wichtigen Themengebieten Bewusstsein zu schaffen und sinnvolle und effiziente Lösungs- und Finanzierungsvorschläge zu präsentieren betrachten wir als wichtige Aufgabe. Bei der Begleitung von Kundenprojekten mit nachhaltigen Zielen tun wir genau das.»

Schritte in die richtige Richtung – mit der Basler Kantonalbank

Viele Unternehmerinnen und Unternehmer wollen ihre Firma nachhaltiger gestalten. Oft stellt sich hier die Frage der Finanzierbarkeit. «Eine Finanzierungs-Lösung, die in allen Fällen anwendbar wäre, gibt es nicht.», so die Expertin. Es sollten immer unterschiedliche Perspektiven gemeinsam erarbeitet werden. Am besten ist es, wenn die Lösung an lokale Gegebenheiten angepasst ist. Sarah Zaugg ergänzt: «Die Ausrichtung auf einen treibhausgasarmen Betrieb ist möglich und sinnvoll. Mit der Basler Kantonalbank als Partner wird diese auch finanziell für unsere Kundinnen und Kunden realisierbar.»

Zielkonflikte minimieren – Unternehmenserfolg maximieren

Allen voran unterstützt die Basler Kantonalbank die nachhaltige Transformation mit eigenem Beispiel. Sarah Zaugg erläutert: «Wir haben unser betriebliches Netto-Null-Ziel unter anderem durch energetische Massnahmen, Beiträge zum Klimaschutz, der Waldpflege sowie Förderung der Biodiversität bereits heute erreicht. Unser Augenmerk legten wir dabei stets auf das Minimieren von Zielkonflikten. Zudem unterstützen wir Unternehmerinnen und Unternehmer mit einer breiten Palette nachhaltiger Anlagemöglichkeiten sowie mit attraktiven Finanzierungslösungen für nachhaltige Vorhaben und Investitionen. Denn der Klimawandel erfordert ein Umdenken und innovative Lösungen. Unser Ziel ist, dass jede Unternehmerin und jeder Unternehmer von diesen Lösungen profitieren kann.»

3 Fragen an Thomas Fonk, Relationship Manager Grosskunden

Welche Finanzierungsformen gibt es bei der Basler Kantonalbank für nachhaltige Vorhaben?

Alle Schritte, die ein nachhaltiges Ziel verfolgen, können mit unserer flexiblen Produktepalette realisiert werden. Hierzu bieten wir unseren Kundinnen und Kunden einerseits diverse Betriebs- und Investitionskreditlösungen als auch Schuldscheine für die nachhaltige Finanzierung an. Ebenfalls begleiten wir die Emission von sogenannten «Green Bonds», mit welchen Investorinnen und Investoren Umwelt und Natur gezielt unterstützen können. Neben den projektbezogenen Finanzierungsformen können sämtliche Finanzierungslösungen auch an die generelle nachhaltige Entwicklung des Unternehmens geknüpft werden. Im Fachjargon sprechen wir sodann von «Sustainability-Linked».

Welche Unternehmen sollten ihre nachhaltige Transformation besonders schnell vorantreiben?

Der beste Zeitpunkt zum Umdenken war wohl vor 20-30 Jahren. Der nächstbeste Zeitpunkt entsprechend morgen. Prinzipiell sollte sich also jedes Unternehmen angesprochen fühlen, denn jeder Schritt in die richtige Richtung zählt. Allen voran sind wohl Firmen mit einem grossem Emissionsvolumen prädestiniert, hier vorbildlich (weiter) voranzuschreiten. Es gibt heute viele nachhaltige Alternativen zu fossiler Energie. Beim Strom ist ein Wechsel auf erneuerbare Elektrizität eine Sache von wenigen Klicks oder eines Anrufs und hat bereits eine sehr grosse Wirkung und unterstützt die Energiewende.

Natürlich sollten Firmenbesitzerinnen- und besitzer auch die Sustainable Development Goals als Ganzes nicht aus dem Blick verlieren. Denn ein wettbewerbsfähiges Unternehmen kümmert sich um vieles mehr als den Klimaschutz (siehe z.B. auch das SDG 10 – «Weniger Ungleichheiten» oder das SDG 3 – «Gesundheit und Wohlergehen»). Auch solche Projekte können mit unserer Unterstützung finanziert werden – beispielsweise mit Social-Loans und Social-Bonds.

Manche Unternehmerinnen und Unternehmer sind noch nicht bereit, Investitionen in eine nachhaltige Entwicklung zu tätigen. Ist dies mit Respekt vor der finanziellen Herausforderung begründet?

Pauschal lässt sich diese Frage nicht beantworten. Richten wir unseren Blick aber weg von klassischen Bonitätsfragen wie beispielsweise der Verschuldungskapazität eines Unternehmens, lässt sich Folgendes festhalten: Mit der aktuellen Entwicklung verlieren Unternehmerinnen und Unternehmer erwiesenermassen mehr, wenn sie auf solche Investitionen verzichten. Ihre Reputation leidet womöglich und Kundinnen und Kunden entscheiden sich früher oder später für andere Mitbewerber.

Zudem verzeichnen wir bei Kapitalmarkttransaktionen ohne ESG-Bezug einen Trend zu kleineren Investorenkreisen, was früher oder später zu höheren Finanzierungskosten führen wird. Es lässt sich also schlussfolgern, dass sich eine nachhaltige Transformation nach einer gewissen Zeit auch ökonomisch auszahlt. Ich rate dazu, mutig zu sein und die Wichtigkeit nachhaltiger Massnahmen für die Umwelt und das finanzielle Wohl des eigenen Unternehmens nicht zu unterschätzen.

Wir kennen die richtigen Lösungen für Sie und Ihr Unternehmen. Lassen Sie sich jetzt von uns beraten.

Ekaterina Cámara

Redaktion

socialmedia@bkb.ch