SNB Zinsentscheid - eine Einordnung

Heutige Marktentwicklung

Nach der überraschenden Zinserhöhung der Schweizerischen Nationalbank gaben die Aktienkurse nach, die Renditen der Obligationen legten zu und der Franken gewann an Wert. Erfahren Sie Hintergründe, Herausforderungen und eine Einschätzung der aktuellen Lage. Erfahren Sie es im heutigen CIO Update.
Am 20.06.2022 in CIO-Kommentar von Dr. Stefan Kunzmann, Leiter Investment Research
Am letzten Donnerstag hat die Schweizerische Nationalbank SNB erstmals seit rund 15 Jahren ihren Leitzins wieder erhöht und damit – zumindest in Bezug auf den Zeitpunkt und das Ausmass – die Finanzmärkte überrascht. Entsprechend gaben die Aktienkurse nach, die Renditen der Obligationen legten zu und der Franken gewann an Wert.

Zinsentscheid der SNB

Die Schweizer Nationalbank hat am vergangenen Donnerstag ihren Leitzins um 50 Basispunkte von -0,75 % auf -0,25 % erhöht. Damit hat sie nahezu sämtliche Marktteilnehmer und Ökonomen auf dem falschen Fuss erwischt. Allgemein wurde zwar mit einem Zinsschritt gerechnet, aber erst im September im Fahrwasser der EZB. Diese hat für Juli eine Zinserhöhung um 25 Basispunkte, also 0,25 % Punkte angekündigt.

Dennoch hat die Ankündigung der EZB der Schweizer Nationalbank den Weg für ihren Schritt bereitet. Entsprechend gab es bereits vereinzelte Stimmen, die zumindest einen Zinsentscheid nicht gänzlich ausgeschlossen hatten. Überrascht haben somit der Zeitpunkt und das Ausmass, nicht aber der Entscheid an sich. Vielmehr haben die Obligationenmärkte auch für die Schweiz eine Normalisierung der Leitzinsen im Zuge der generell restriktiveren Geldpolitik in den Industrienationen antizipiert. Während nämlich der Schweizer Leitzins bei -0,75 % verharrte, legten die Renditen 10-jähriger Schweizer Staatsanleihen bereits deutlich zu. Und zwar von Minus -1.1 % im August 2019 auf über Plus +1.4 % am 14. Juni, also zwei Tage vor dem Zinsentscheid. Während somit die geldmarktnahen Zinsen bis am Donnerstag unverändert waren, hatten die Obligationenrenditen bereits um 2,5 %-Punkte zugelegt. Und lagen damit auf einem Niveau, das letztmals 2011 – also vor mehr als 10 Jahren – erreicht wurde.

BKB hat Entwicklung antizipiert

Für uns hat sich deshalb mit dem Zinsschritt seitens der SNB nicht viel verändert, die generelle Richtung der Geldpolitik hin zu einer Normalisierung war zu erwarten. Wir haben diese Entwicklung bereits seit längerem in unseren Anlagen antizipiert. Und zwar mittels zweier Massnahmen:

  • Wir sind und waren über die letzten Monate und Jahre speziell bei Schweizer Obligationen deutlich untergewichtet.
  • Wir haben in unseren Mandaten und Anlagelösungen, bei welchen wir die Referenzindizes selber wählen können, strategisch eine im Vergleich zum breiten Obligationenmarkt kürzere Laufzeit, und damit kürzere Duration, gewählt.

Das hat zwar auch unsere Obligationenanlagen nicht vor eine negativen Wertentwicklung bewahrt, die Einbussen waren aber geringer. Folgende Zahlen machen dies beispielhaft deutlich:

  • Während der breite Obligationenmarkt, der sogenannte Swiss Bond Index per 16. Juni um fast 12,5 % nachgegeben hat,
  • betrug das Minus bei dem von uns gewählten Referenzindex gut 8,5 %.

Das Minus fiel also im Vergleich zum breiten Obligationenmarkt bei dem von uns verwendeten Index fast 4 % geringer aus.

Hintergründe und Herausforderungen der Geldpolitik

Die Inflationsraten haben aktuell Niveaus erreicht, die man seit 40 oder 50 Jahren in den Industrienationen nicht mehr gesehen hat. Während man zunächst annehmen durfte, dass es sich hierbei um ein vorübergehendes Phänomen handeln wird, hat der Krieg Russlands gegen die Ukraine die Ausgangslage vollständig verändert. Die steigenden Teuerungsraten waren zunächst dem Ausbruch der Corona-Krise und den damit verbundenen expansiven Massnahmen der Staaten und Notenbanken zur Bekämpfung möglicher negativer realwirtschaftlicher Auswirkungen geschuldet.

Durch die Entfaltung staatlicher Nachfrage und der Verhinderung steigender Arbeitslosigkeit auf der einen sowie Produktionsbeschränkungen und gestörter Lieferketten auf der anderen Seite, kam es zu Engpässen bei den verfügbaren Waren. Eine hohe Nachfrage traf auf ein reduziertes Angebot. Die Preise sind gestiegen.

Gleichzeitig bestand die – aus unserer Sicht – berechtigte Hoffnung, dass nach den erfolgten Lockerungen der Massnahmen zur Pandemie-Bekämpfung die Friktionen auf der Angebotsseite sich wieder verringern werden, das Angebot wieder steigt und sich der Inflationsdruck damit wieder reduziert.

Der Krieg von Russland gegen die Ukraine, die folgenden Sanktionen und Gegensanktionen sowie die damit verbunden Unsicherheiten und Beschränkungen haben im Frühjahr die bereits angespannte Lage auf der Angebotsseite wieder verschärft. Zusätzliche Lieferketten wurden – auch wegen der strengen Covid-Massnahmen in China – gestört, die Energiepreise stiegen in Folge der Sorge um russische Gaslieferungen sehr stark an und die Nahrungsmittelpreise legten kräftig zu.

Für Notenbanken ist dies eine äusserst schwierige Situation, da deren Zinspolitik in aller Regel zwar die gesamtwirtschaftliche Nachfrage beeinflusst, angebotsseitige Schwierigkeiten aber nicht lösen kann. Die Lage ist aktuell entsprechend zweigeteilt:

  • Während die US-Notenbank sich sowohl angebots- als auch nachfrageseitigen Probleme gegenübersieht – unter anderem auch der Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale
  • ist dies in der Eurozone und der Schweiz weniger bzw. kaum der Fall. Hier dominieren angebotsseitige Faktoren, welche die Teuerungsrate nach oben treiben.

Dabei ist die SNB im Vergleich zur US-Fed und der EZB in einer deutlich komfortableren Situation. Während die Inflationsraten in den USA und der Eurozone um 8 % oder darüber liegen, kratzt diese in der Schweiz gerade einmal die Marke von 3 %.

Aber auch für die SNB gilt: das Vertrauen in die eigene Währung und die Geldpolitik der Notenbank ist ein hohes Gut, welches man nicht leichtfertig aufs Spiel setzen darf. Entsprechend war es auch für die SNB wichtig, im aktuellen inflationären Umfeld ein klares Signal für Preisniveaustabilität zugeben. Das hat sie mit dem Zinsschritt getan und sich – bis zu einem gewissen Grad – aus dem Fahrwasser der EZB befreit.

Einschätzung der aktuellen Lage

Inflation: Obwohl die Teuerungsraten zuletzt nur den Weg nach oben kannten, ist die Wahrscheinlichkeit nach wie vor hoch, dass die Inflationsraten 2023 wieder sinken werden. Auch wenn niemand den exakten Zeitpunkt und das Ausmass genau vorhersagen kann, deuten die Konsensprognosen auf eine deutliche Beruhigung im kommenden Jahr hin.

Renditen Schweizer Obligationen: Unter der Prämisse des skizzierten – und auch von uns auch als wahrscheinlich erachteten – Inflationsszenarios, ist bereits sehr viel an den Obligationenmärkten eingepreist. Dennoch ist der Trend nach oben aktuell intakt. Ein weiterer Anstieg auf Jahresfrist ist möglich.

Bruttoinlandsprodukt (BIP): In den letzten Wochen und Monaten wurden in den Wirtschaftsnachrichten regelmässig die Risiken einer Rezession thematisiert. Also das Risiko eines sinkenden BIP. Auch wenn man eine Rezession nie ausschliessen darf, lassen die Indikatoren und verfügbaren Daten nach unserem Ermessen momentan nicht auf eine solche schliessen. Viele Stimmungsindikatoren von Unternehmen zeichnen vielmehr weiterhin ein positives Bild in Bezug auf die wirtschaftliche Entwicklung. Trotz aller Schwierigkeiten und Unsicherheiten, denen sich die Unternehmen gegenübersehen. Wir rechnen entsprechend nicht mit einer Rezession, aber mit einer Abschwächung des Wachstums, die bis ins kommende Jahr hineinreichen dürfte.

Aktien: Nach den Kursrückgängen der vergangenen Monate sind Aktien unseres Erachtens fair bewertet. Dies auch vor dem Hintergrund, dass wir einer Rezession Stand heute eine eher geringe Wahrscheinlichkeit einräumen und höhere Inflationsraten nicht unbedingt negativ für Unternehmen sein müssen. In der Vergangenheit war vielmehr auch immer wieder zu beobachten, dass Unternehmen in einem solchen Marktumfeld ihre Margen steigern konnten. Diesen eher positiven Faktoren stehen anhaltende Unsicherheiten gegenüber. Entsprechend sind wir aktuell nur geringfügig übergewichtet bzw. nahe an der Strategie investiert, behalten uns aber taktische Zukäufe vor.

Schweizer Franken: Die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass der Franken in den kommenden Monaten festbleiben wird – dafür sprechen nicht zuletzt die hohen Inflationsdifferentiale zwischen der Schweiz und den meisten anderen Industrienationen. Kurzfristig ist auch die Parität zum Euro nicht ausgeschlossen, auf ein Jahr hin rechnen wir aber weiterhin mit einem Kurs um 1,05 Franken je Euro.

Positionierung in den Mandaten und Anlagelösungen

  • Bei den Obligationen in Schweizer Franken bleiben wir untergewichtet.
  • Die Aktien sind geringfügig übergewichtet bzw. nahe der Strategie investiert.
  • Wir halten an der Beimischung unserer Satelliten und Alternativen Anlagen fest.

Insgesamt empfehlen wir weiterhin eine breite Diversifikation der Portfolios.

Heutige Marktentwicklung und Anlagestrategie

Nach den Kursrückgängen der letzten Woche haben die Märkte heute in Europa überwiegend im Plus eröffnet. Der SMI-Index verliert aktuell zwar mit -0.25 % leicht an Wert, der deutsche Aktienindex DAX liegt dagegen etwa 0.6 % im Plus. Für die US-Aktienmärkte wird heute ebenfalls eine positive Eröffnung von rund 0.7 % erwartet. (Stand ca. 11:00 Uhr, 20.6.2022, Basel Zeit)

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Dr. Stefan Kunzmann, Leiter Investment Research

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