Die Aktienmärkten bleiben auch im neuen Monat Oktober volatil. Mehrere Krisen und Entwicklungen tragen gleichzeitig dazu bei, dass die erhoffte Erholung an den Aktienmärkten bisher keinen Schwung aufbauen konnte.
Unter den selbst zugefügten Krisen zählen wohl die wenig durchdachten Steuersenkungspläne der neuen britischen Premierministerin Liz Truss, welche letzte Woche das Pfund zum Absturz gebrachten haben und die globalen Zins- und Währungsmärkte in helle Aufregung versetzt hatten. Heute nun die unvermeidliche erste peinliche Kehrtwende der Premierministerin und ihres Finanzministers: Der Steuersatz für die höchsten Einkommen soll nun doch nicht gesenkt werden. Der Symbolwert dieser Kehrtwende ist zwar hoch, er reduziert den gesamten Umfang des verbleibenden Steuersenkungspakets aber bloss um knapp 5%.
Das Risiko bleibt, dass die Finanzmärkte die britische Haushaltspolitik als nicht nachhaltig finanzierbar betrachten. Die drastischen Konsequenzen einer solchen Markteinschätzung konnten wir letzte Woche an den Währungs- und Zinsmärkten beobachten. Das Pfund hat sich zwar erholt und die Zinsen für britische Staatsanleihen sind aufgrund der steuerpolitischen Kehrtwende zwar etwas gefallen, sie sind aber nach wie vor um etwa 1% erhöht.
Ebenfalls unter die Kategorie der selbst zugefügten Krisen fällt der dramatische Wertzerfall der Credit Suisse Aktie. Obwohl die Schweizer Bank aus regulatorischer Sicht weiterhin grosszügig kapitalisiert bleibt, hat der Wertzerfall der Aktie nun auch den Preis für die Versicherung des Kreditausfallrisikos stark ansteigen lassen (sogenannter CDS-Spread). Dieses Risikosignal der Finanzmärkte muss zwar kritisch hinterfragt werden, denn eine direkte Auswirkung auf die Finanzstärke der Credit Suisse bedeutet es nicht. Dennoch gelangt die Credit Suisse damit heute in die internationalen Top Negativnews. Die CS-Aktie verliert heute im Tagesverlauf fast 10% an Wert. Ob, wie bisher geplant, erst am 27. Oktober anlässlich der Kommunikation der Quartalsergebnisse die Sanierungsstrategie kommuniziert wird, ist fraglich. Die Dynamik an den Finanzmärkten könnte Massnahmen schon früher notwendig machen. Von einer systemischen Ausweitung der Probleme der Credit Suisse auf das Finanzsystem ist aber nicht auszugehen. Die Lehren aus der Krise der UBS wurden gezogen und die Notfallpläne für eine Aufspaltung des Schweizer Geschäftes der Bank müssten anders als 2008/2009 nun schon vorliegen.
Auch die Pläne der OPEC, das Angebot an Erdöl zu verringern, um die angeblich gefallene Nachfrage zu kompensieren, sorgen heute für einen Anstieg der Preise für Rohöl um etwa 4%. Dieser Entscheid der OPEC kommt für die Bekämpfung der Inflation aber zeitlich sehr ungelegen, da er die jüngste Entspannung bei den Treibstoffpreisen umzukehren droht. Der Preis für ein Fass Rohöl (europäische Sorte Brent) liegt aber mit ca. 88 USD/Fass nach wie vor deutlich unter der Spitze von 114 USD/Fass aus dem Juni.
Weiterhin haben auch die Entwicklungen in der Ukraine eine negative Wirkung auf die Börsen. Das Schauspiel Russlands zur Annexion ukrainischer Gebiete vermag die offensichtlichen militärischen Niederlagen nicht zu überspielen. Offenbar waren während Putins Staatsakt im Kreml die russischen Truppen gerade dabei Hals über Kopf aus der nun befreiten und strategisch wichtigen Stadt Lyman zu fliehen. Die Sabotage der North Stream Pipelines kann zwar nicht nachgewiesen werden, sie muss aber wohl als ein Warnsignal Moskaus zur Verwundbarkeit der europäischen Infrastruktur verstanden werden. Die Warnung bedeutet wohl auch, dass im Kreml über weitere unkonventionelle Eskalationsoptionen nachgedacht wird.
Heutige Marktentwicklung und Anlagestrategie (Stand ca. 13:15 Uhr, 3.10.2022, Basel Zeit)
Der SMI-Index fällt heute um etwa 0.75 % und auch der deutsche DAX-Index verliert gegenwärtig etwa 0.50%. Für die US-Aktienbörsen wird heute, nach den deutlichen Verlusten vom Freitag, eine etwas freundlicheren Eröffnung erwartet.
In unserer Anlagestrategie halten wir den Aktienanteil weiterhin nur leicht über der strategisch neutralen Quote. Wir bleiben auch in der noch anhaltenden Korrektur zuversichtlich, dass die Aktienmärkte nach verlustreichen Monaten im laufenden Jahr, die Aufmerksamkeit wieder auf die Perspektiven im zweiten Halbjahr 2023 richten werden. Die inzwischen gefallenen Bewertungen und die Vielzahl an Negativfaktoren, die inzwischen eingepreist sind, machen taktische Zukäufe von Aktien aktuell wieder erwägenswert.
Dr. Sandro Merino
Chief Investment Officer und Leiter BKB Asset Management
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