Jerome Powell hat am Jackson Hole Symposium in seiner kurzen Rede eine einfache und direkte Botschaft überbracht. Die US-Wirtschaft ist nicht im Gleichgewicht: Eine starke Nachfrage trifft auf ein durch verschiedene Faktoren eingeschränktes Angebot. Die Werkzeuge der Geldpolitik können die angebotsseitigen Probleme zwar nicht lösen, höhere Zinsen tragen aber dazu bei, die Nachfrage zu bremsen. Mit weiteren Zinsschritten wird Powell dieses Ziel nun konsequent verfolgen. Auch der US-Arbeitsmarkt ist aus dem Gleichgewicht geraten und die Knappheit an geeigneten Arbeitskräften treibt die Löhne in die Höhe. Jerome Powell stellt klar, dass die Wiederherstellung der Preisstabilität seine Priorität ist und dass die Erreichung dieses Ziels eine längere Phase mit restriktiver Geldpolitik bedingt.
Es wird erwartet, dass die US-Notenbank im September einen Zinsschritt von 0.50% oder gar 0.75% entscheiden wird. Weitere, allenfalls kleinere, Schritte werden folgen, welche die US-Leitzinsen in die Nähe von 4% bringen werden. Hoffnungen von Aktieninvestoren, dass die Fed im Falle einer US-Rezession die Zinsen schon bald wieder senken würde, wurden durch Powells Rede zerschlagen. Powell hat die Märkte mit seiner Rede zwar nicht überrumpelt oder gar einen komplett neuen Ton angeschlagen, er hat aber sehr deutlich gemacht, dass die Wiederherstellung der Preisstabilität oberste Priorität hat. Auch eine Rezession oder eine Verschlechterung der Beschäftigungssituation wird keine rasche Abkehr von einer restriktiveren Geldpolitik auslösen, zumindest solange sich die Inflation nicht wieder in gewohnten Bahnen bewegt.
Auswirkungen auf die Aktienmärkte und die Zinserwartungen
Die US-Aktienmärkte haben bereits am Freitag etwa 3% nach unten korrigiert und auch am heutigen Montag wird nochmals eine moderat negative Eröffnung erwartet. In der Eurozone und in der Schweiz ist die Reaktion auf Powells Rede deutlich weniger ausgeprägt als in den USA. Immerhin schafft Powells Rede auch mehr Klarheit zur Ausrichtung der US-Geldpolitik. Dies kann eine Basis bilden für mehr Vertrauen in die Zentralbanken und in ihre Instrumente zur Überwindung der Inflation. Die US-Arbeitsmarktdaten für August die am kommenden Freitag publiziert werden, könnten Powells Haltung zusätzlich rechtfertigen, falls die Daten tatsächlich so stark wie derzeit erwartet ausfallen.
Inwiefern die EZB nach Powells Stellungnahme eine härtere Haltung im Kampf gegen die Inflation einnehmen wird, werden wir schon am 8. September erfahren.
Dabei ist zu beachten, dass die Eurozone wirtschaftlich in einer wesentlich anderen Verfassung ist als die USA. Von einer Überhitzung der Arbeitsmärkte kann kaum die Rede sein und die europäische Konjunktur zeigt bereits eine deutliche Abkühlung. Diese Faktoren wird die EZB berücksichtigen müssen. Dennoch erwarten wir seitens der EZB am 8. September eine erneute Anhebung der Leitzinsen um 0.50%. Inwiefern die Euro-Leitzinsen im weiteren Verlauf noch wesentlich ansteigen werden, wird situativ entschieden werden müssen. Zu unsicher sind noch die Auswirkungen der möglichen Engpässe in der Energieversorgung.
Auch die Schweizerische Nationalbank wird am 22. September die Leitzinsen nochmals anheben. Erwartet wird ein Schritt von 0.5% was das Ende der Negativzinsen bedeuten würde. Weitere Zinsschritte der SNB dürften anschliessend folgen und wir erwarten moderate Leitzinsen in der Nähe von 1%.
Der Schweizer Franken und auch der Schweizer Aktienmarkt könnten weiterhin als sicherer Hafen gegen die Inflation wahrgenommen werden. Mittelfristig erwarten wir aber eine Erholung des EUR/CHF-Wechselkurs in die Nähe von 1:1. Die Stärke des Schweizer Frankens kommt dabei der SNB für die Bekämpfung der Inflation sicherlich entgegen. Auch für Anleger in Schweizer Aktien ist im Vergleich zum US-Markt und der Eurozone der kurzfristige Ausblick vergleichsweise etwas konstruktiver.
Heutige Marktentwicklung und Anlagestrategie (Stand ca. 11:00 Uhr, 29.8.2022, Basel Zeit)
Die seit Mitte Juni andauernde Erholung an den Aktienmärkte ist durch die Korrektur im Anschluss an Powells Rede teilweise wieder umgekehrt worden. Der SMI-Index verliert heute etwa 0.25%. Der deutsche DAX-Index fällt etwa 1.50%. Für die US-Aktienmärkte wird nach den deutlichen Verlusten vom Freitag heute erneut mit einer negativen Eröffnung gerechnet.
Dr. Sandro Merino
Chief Investment Officer und Leiter BKB Asset Management
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