Als der Ändstraich im Niemandsland stattfand
Zugegeben, das Bild zeigt Laternen eines Morgenstreichs, 1880 vom Maler Jauslin festgehalten. Aber dieser «Helgen» kann auch zum Endstreich passen, denn da wird die Laterne nochmals zum Mittelpunkt des fasnächtlichen Geschehens.
Es ist Donnerstagmorgen kurz vor 4 Uhr und die Innenstadt kocht! Alles ist noch einmal auf den Beinen. Es wuselt, pfeift, ruesst und 'guggemusigt'... In den schmalen Gassen gibt es fast kein Durchkommen mehr. Jeder und jede gibt nochmals alles! Die Vorträbler treiben das Tempo an, damit es die Clique hinter ihnen durch das Chaos hindurch noch zum traditionellen Endstreichplatz schafft.
Dann kommt er, der unabänderliche Moment: Ein letztes Mal um die Laterne stehen. Ein letztes Mal ihr Leuchten geniessen. Ein letzter Marsch. Und dann ist die Gewissheit da: «S isch umme! Verbyy! Aadie Fasnacht!» Man liegt sich in den Armen; manche weinen sogar, während die 'alten Hasen' schon losspurten, um in der Hasenburg einen guten Platz für das Morgenessen besetzen zu können. Das war 1880 schon so und wird es 2088 immer noch sein.
Ausser einmal. Da war alles etwas anders! Anno 2014 wurden viele Cliquen gebremst. Der Grund war, dass etwa 20 stadtbekannte Schnitzelbänggler der IG WuF («Wild und Frei»), auf Klappstühlen sitzend, den Spalenberg blockierten. Eine spontane Aktion zum 10-Jahres-Jubiläum der Organisation der Unorganisierten. Wer nun glaubt, dass Schimpftiraden oder gar Schlägereien folgten, denkt nicht baslerisch. Für einmal lagen sich nämlich die aktiven Fasnächtler nicht weinend in den Armen, sondern kamen lachend zu den Schelmen, die da den Endstreich entheiligten. Man gratulierte zum Jubiläum und zu der gelungenen Aktion.
So tickt Basel!
Fasnachtsdialekte, die heute ein No-Go sind
Die zwei Bilder werden wahrscheinlich jedem treuen Anhänger des «Ruedi-Suter-Baseldysch» das Herz zerreissen! Und jedem Vollblutfasnächtler stockt der Atem! Da sagt doch tatsächlich die 'alte Tante'/alty Dante «Salü». Nein nicht «Sali» oder «Saly», sondern «Salü» mit einem «Ü»! Und der elsässische Waggis verkäuft «HärdÄpfel» statt «Härdepfel» (Kartoffeln). Beides ist in der heutigen Fasnachtssprache ein ganz klares (neudeutsches) No-Go.
Was dabei aber nun vergessen wird, ist, dass noch vor 109 Jahren die Fasnacht auch in den Kneipen der Aussenquartiere Basels stattgefunden hat. Und zwar im jeweils quartier-eigenen Dialekt. Je näher man zu jener Zeit im Hegenheimer- oder St. Johannsquartier wohnte, desto eher glich die Aussprache derjenigen des Elsässisch («Salü» statt «Sali»).
Im kleinhüninger Dorf hingegen schwang der Einschlag aus dem Südbadischen («Gelbfüssler») mit. Daher auch «Äpfel» statt «Epfel». Im Bachlettenquartier («in dr Bachlätte») erkannte man sprachliche Einflüsse aus dem nahen Leimental - «Chirse» statt «Kirsy». Und an der Grenze zu Birsfelden («Blätzbums») drückte schon etwas das Aargauische durch.
Interessant ist, dass dieser Sprachmix niemanden störte. Er gehörte damals genauso zur Fasnacht unserer Multikulti-Stadt, wie die Mehlsuppe und der billige Weisswein. Darum wundere Dich bitte nicht, wenn Dich ein junger Fasnächtler beim Intrigieren mit «Hey Aalde, tschöss...» anspricht oder Dir ein Waggis «vegane Fallobst-Radieschen» anbietet!
An der Fasnacht ist alles erlaubt! Auch sprachlich.
Der «Bangg» und seine vieldiskutierte Entstehung
Darüber, wie sich der heute allseits bekannte Schnitzelbank mit seinen kurzen Versen und diversen Pointen zu dem entwickelt hat, was wir heute üblicherweise «Bangg» nennen, wird oft gestritten. Wichtig ist, dass das Bank-Singen keine rein Baslerische Erfindung vom Rheinknie ist. In allen alemannischen Gegenden kennt man diese Spottverse. Man kennt dies als «Bangg» (Region Basel), «Zeedel» (Leimental und Laufental), «Uffzelle» (Rottweil und Schwabenland) und bzw. oder als «Vorlääsede» (Elsass). Gemeinsam ist diesen Bräuchen, dass sie ungute Dinge des vergangenen Jahres mit Hohn und Spott zudecken und bekannt machen.
Einig sind sich die diversen Schnitzelbankforscher darüber, wie es zum Namen «Schnitzelbank» gekommen ist. So haben sich Schindel-Schnitzer-Gesellen auf der Walz ein Zubrot verdient, indem sie als Moritatensänger auf den verschiedenen Märkten auftraten. Sie erzählten oder sangen über Geschehnisse, die ihnen während ihrer Gesellenwanderung zu Ohren gekommen sind. Je blutrünstiger oder vulgärer, desto besser! Sozusagen, die historische Form des «Blick am Abend». Dazu stellten sie sich – um besser gesehen zu werden – auf ihre Schnitzbank.
Dass dieses «sich höher Stellen» als Bänggler noch immer Tradition hat, zeigen besonders zwei Cliquenkeller. Im Basilisken-Keller treten die Bängg auf einem Tisch auf und im Primidoofenkeller lädt die umlaufende Bank an der Wand zum «Aufsteigen» ein. Ob die Qualität der Verse damit auch steigt, sei dahingestellt.
Handörgeli und Polizeimusik: Die Fasnacht als Volksfest
Das Bild ist genial! Wenngleich es wahrscheinlich nicht von einem früheren Fastnachtsumzug stammt. Zu kurz die Hosen, zu luftig die Röcke... Dieses Bild dürfte von einem sommerlichen Umzug zu einem Schützenfest, einem Stadtfest oder einem Turnfest sein.
Aber nichts desto trotz: Es ist ein Sinn-Bild. Denn bis vor wenigen Jahren war der Cortège nicht nur «Waage, Clique und Gugge» vorbehalten. Was heute undenkbar ist, war vor 70 Jahren 'normal': Da spielte die Akkordeongruppe Kleinhüningen ohne Larve und Kostüm. Die Knabenmusik schmetterte in Originaluniform Märsche. Das «Mandolino-orchestra di Lugano» lief als Gastformation im Quodlibet mit. Die Stadtmusik lieferte sich einen Kontermarsch mit der Polizeimusik.
Es war absolut 'normal', dass der Cortège auch durch 'nichtfasnächtlichverkleidete' Formationen ergänzt wurde. Die Fasnachtseinheiten erhielten dadurch im Volksfest mehr Gewicht und mehr Beachtung.