Wer den Hauptbahnhof Basel in Richtung Gundeli verlässt, steht auf der Güterstrasse und sieht direkt ins Schaufenster des BackwarenOutlets: auf den ersten Blick ein freundliches Take-away-Café mit Backwaren und Früchten für eine schnelle Verpflegung. Auf den zweiten Blick ist erkennbar, dass hier ein grosses Sozialwerk zu Hause ist. Dieses leistet einen wesentlichen Beitrag gegen Foodwaste und ist in der Pandemie zu einem Auffangnetz geworden für jene Menschen, die von der Krise am härtesten betroffen sind. Gastroseelsorger Bernhard Jungen traf sich noch im Lockdown mit dem Gründerpaar Berto Beat Dünki (67), Ursula Moser (62) und vier Freiwilligen: Sophie de Stefani, Rebecca Stucki, Valentin Erb, Jonas Mall.
Was ist das BackwarenOutlet?
Wie kommt ihr als Freiwillige in das BackwarenOutlet?
Valentin: Als easyJet-Pilot spürte ich den Rückgang der Flüge schon anfangs März 2020. Mit dem Lockdown blieben alle Maschinen am Boden. Ich war froh, hier eine sinnvolle Beschäftigung zu finden.
Rebecca: Als Flugbegleiterin war es für mich ähnlich. Ich fand über benevoljobs.ch zu dieser Tätigkeit.
Sophie: Im Online-Studium (Politikwissenschaften und Geschichte) fiel mir bald die Decke auf den Kopf. Als theoretisch begabter Mensch wollte ich die Chance nutzen, etwas Praktisches zu tun.
Jonas: Weil nach der Matura meine Reisepläne ins Wasser fielen, befand ich mich bald in einem persönlichen Tief. Weil meine Grosseltern im Bruderholz wohnen, kannte auch ich das BackwarenOutlet bereits.
Sind diese vier jungen Menschen typische Mitarbeitende im BackwarenOutlet?
Berto: Diese vier stabilen Menschen vermitteln durch ihre Präsenz Sicherheit und tragen zum reibungslosen Ablauf bei – wie gutes Öl im Getriebe unseres stürmischen Alltags.
Corona hat doch anderswo das Leben beruhigt. Was meinst du mit «stürmisch»?
Ist der GundeliTreff als Filiale oder als neuer Standortgedacht?
Wie entwickelte sich das RübisStübis?
Ursula: Seit dem 17. März 2020 lösten sich viele Arbeitsplätze im Gundeli auf oder die Arbeit wird im Homeoffice verrichtet. Unser Umsatz beim Take-away war von einem auf den anderen Tag um beinahe 60 Prozent eingebrochen. Es tauchten Kunden auf, die sich sogar unsere niedrigen Preise nicht mehr leisten konnten. Entsprechend wuchs das RübisStübis, wo wir alles verschenken.
Berto: Mit den geforderten Mindestabständen von zwei Metern konnten wir das RübisStübis unmöglich wie gewohnt im Ladenlokal durchführen. Also verlegten wir es in ein geschütztes Seitengässchen.
Wie läuft das RübisStübis ab?
Ist die Essensverteilung wie die grosse «Schlacht am kalten Buffet»?
Rebecca: Im Gegenteil! Ich erlebe immer wieder, dass die Menschen sehr respektvoll miteinander umgehen. Sie lassen einander gerne den Vortritt zum besten Stück Brot.
Berto: Es ist kein Selbstbedienungsladen. Ich preise marktschreierisch ein Produkt nach dem andern an. Interessenten erheben die Hand. Möchten mehrere dasselbe Stück, muss jemand zurückstehen. Meine Aufgabe ist es, die Schüchternen zu ermutigen und die etwas Vorwitzigen zu bremsen.
Ursula: Manche Leute kommen ein- bis zweimal pro Woche. Wir erreichen wöchentlich mit diesem Angebot rund 500 armutsbetroffene Menschen! Manche kommen mit ihrem «Wägeli» und wir wissen, dass sie noch Angehörige oder weniger mobile Freunde versorgen.
Was nehmt ihr als Freiwillige von eurer Arbeit im RübisStübis mit?
Jonas: Die positive Ausstrahlung ist ansteckend. Ich lerne hier, dass Wohlstand nicht automatisch Zufriedenheit bringt. Denn geben macht glücklicher als nehmen.
Was hat Corona bei euren festangestellten Mitarbeitenden ausgelöst?
Ursula: Einige unserer Mitarbeitenden, die zur Risikogruppe gehören, hatten wirklich Angst. Jemand hat gar eine Phobie entwickelt.
Berto: Im Vordergrund standen aber die Existenzängste. Wir haben allen klar gemacht, dass niemand die Stelle verlieren wird. Wir versprachen, dass wir Lösungen suchen und notfalls privat für Verluste aufkommen würden, damit alle hierbleiben können. So konnten wir ihnen die Angst nehmen. Wir erhielten zudem grosszügige Spenden von Organisationen, mit denen eine längere Beziehung besteht, wie zum Beispiel einer Kirchgemeinde der Region. Wir sehen darin den Auftrag, weiterzumachen.
Bernhard Jungen
Gastroseelsorger & Pfarrer
Bernhard Jungen (64) ist Gastroseelsorger. Seit Jahren ist er als «Seelsorger der Seelsorgenden» unterwegs zu den Menschen, die im Gastgewerbe arbeiten. Hauptberuflich ist er Barkeeper-Pfarrer der Unfassbar, einem Bier-Mobil auf drei Rädern, das während der Krise auch vom Lockdown betroffen ist. Der Autor des Interviews arbeitete während der Pandemie an seinem Buch «Unfassbar – Wie die Basler Gastronomie der Krise trotzt» - einer Sammlung von 25 Interviews mit Basler Gastronomen über ihre Situation in Zeiten der Pandemie.