«Helden von Basel» #8: Markus (44) – Wir sagen DANKE!


Die Geschichte von Markus und Herrn S. – eine Geschichte über eine echte Freundschaft in Basel. Dabei kannten sich die beiden nur drei Jahre. Doch der ehrenamtliche Helfer der Bethesda Alterszentren tat alles, um die letzten Jahre seines demenzkranken «Adoptiv-Grosspapis» lebenswerter zu machen. Dieser dankte es ihm – bis zum Schluss.
Am 30.11.2022 in Von Basel. Für Basel. von Ekaterina Cámara

Das Wichtigste in Kürze

Das Wichtigste in Kürze

  • Markus engagiert sich seit drei Jahren als Freiwilliger im Basler «Wesley Haus» - einem Bethesda Alterszentrum im Stadtzentrum.
  • Besonders im Herzen blieb ihm Herr S., den er drei Jahre begleitete.
  • Eine Geschichte über wahre Freundschaft und darüber, dass die kleinen Dinge im Leben oft am glücklichsten machen.

Steckbrief: Markus Land (44)

  • Geboren in: Müllheim, Baden-Württemberg (DE)
  • Wohnort: Seit 2014 in Basel
  • Beruf: Application Owner bei Baloise
  • Freizeitbeschäftigungen: Sport, Fahrradtouren, Wandern (z.B. Jakobsweg)
  • Lieblingsmusik: Elektronische Musik
  • Drei wichtige Sachen für mich im Leben: Güte, Mitgefühl, sinnvolles Verhalten
Seit 2013 gehört das Wesley Haus zur gemeinnützigen Bethesda Alterszentren AG, die verschiedene Alterszentren unter ihrem Dach vereint. Markus, der in Müllheim geborene 44-jährige Versicherungsmitarbeitende, engagiert sich hier bereits seit drei Jahren im Alterszentrum bei der Claramatte als Freiwilliger. «Ich meldete mich damals über ein GGG Benevol Online-Stelleninserat im Wesley Haus. Schon lange wollte ich damals älteren und kranken Personen, die einsam sind, ein bisschen von meiner Zeit schenken. Denn es braucht keinen grossen Geldbeutel, sondern nur ein grosses Herz, um etwas bewegen zu können. Durch die Freiwilligenarbeit kommen die Bewohner des Altersheims - neben den «Aktivierungs»-Angeboten des Wesley Hauses - für ein paar Stunden raus aus dem tristen Alltag. Doch in die Rolle muss man immer erstmal 'hineinwachsen'», so Markus.

Hier lernte er schliesslich Herrn S. kennen: «Es hat irgendwie sofort 'gefunkt' zwischen uns», erzählt Markus. «Herr S. war 93, demenzkrank, einsam und ein recht sturer Kopf. Als sie ihn mir vorstellten, war mir sofort klar: das funktioniert. Er reagierte und respektierte mich. Herr S. wurde zu einer Art «Adoptiv-Grosspapi» von mir.»
Herr S. wurde zu einer Art «Adoptiv-Grosspapi» von mir.
Markus (44), Freiwilliger Mitarbeitender, Wesley Haus Basel

Bild: Aufenthaltsraum im Wesley Haus Basel

Der Beginn einer Freundschaft

Markus begann sich in seiner Freizeit mit Herrn S. zu beschäftigen – in der Regel war es der Sonntag, an dem sie etwas unternahmen. «Klar – ich fragte mich ab und zu – soll ich heute zu ihm? Theoretisch müsste ich ja noch dies oder jenes erledigen… Doch dann kam schnell der Gedanke: mein Adoptiv-Grosspapi sitzt gerade allein in seinem Zimmer. Diese Vorstellung machte mich traurig. Und ich machte mich auf den Weg.»

Markus und Herr S. wurden ein perfektes Team. Nach einiger Zeit lernte der freiwillige Helfer die Eigenheiten und Gewohnheiten von Herrn S. kennen und fand einen Draht zu ihm. «Ich hatte den Eindruck, dass er mich mochte – irgendwie. Auch wenn seine Krankheit ihn stark beeinträchtigte. Aber da waren Situationen, in denen mir klar wurde: Er weiss auch noch nach längerer Zeit, wo ich mit ihm gewesen bin und was wir alles zusammen erlebt haben. Diese Feststellung war für mich sehr rührend.»

Ich hatte den Eindruck, dass er mich mochte – irgendwie. Auch wenn seine Krankheit ihn stark beeinträchtigte.
Markus (44), Freiwilliger Mitarbeitender, Wesley Haus Basel

Vom «Joggeli» bis zum «Les Trois Rois»

Vom «Joggeli» bis zur Bar des «Les Trois Rois»-Hotels - Markus unternahm mit Herrn S. viele tolle Dinge. Sie gingen einmal in den Basler Zolli. «Da war sogar mal meine Schwester mit ihren Kindern dabei – an ihnen hatte Herr S. sichtbar grosse Freude.» Sie erlebten viele weitere Sachen gemeinsam. Markus erinnert sich: «Herr S., ein Ur-Basler, der früher beruflich als Laborant in der Pharmabranche tätig war, war zudem viele Jahre Fussball-Schiedsrichter. Deshalb hatte er wohl auch extreme Freude an unseren gemeinsamen «Joggeli»-Besuchen. Ich organisierte einen FCB-Schal und wir machten uns stilecht auf den Weg zum Fussballspiel. Da strahlte er förmlich. Ein anderes Mal setzte ich mich mit ihm in eine Basler Fähre und sagte dem Fährimann, Herr S. und ich würden jetzt einfach mal zehn Mal hin und her fahren. Auch assen wir auf dem «Rhystärn» gemeinsam mit meinen Eltern Flammkuchen. Das genoss er ebenfalls. Und ich habe ich ihm mal ein Glas Champagner im «Les Trois Rois» ausgegeben. Dies war für Herr S. ein Highlight.»

Bild: Markus Land (Freiwilliger Helfer Aktivierung) mit Marie-France Richert (Zentrumsleiterin Wesley Haus Basel) 

Die kleinen Dinge im Leben zählen

Dieses berührende Engagement des sympathischen Basler Application Owner trug schnell Früchte: «Immer nachdem wir wieder etwas Zeit miteinander verbracht haben, hörte ich vom Pflegepersonal, dass er auch die Tage danach noch geistig viel klarer war. Das zu hören motivierte mich schon sehr. Es ist beeindruckend, was ein bisschen Aufmerksamkeit für einen Menschen eigentlich so ausmachen kann. Und auch mir hat das alles ja Spass gemacht – und ich bin echt dankbar, ihn gehabt zu haben.»

Bild: Wesley Haus Basel (Büro)

So hilft Markus und das Team Aktivierung den Bewohnerinnen und Bewohnern im «Wesley Haus»:

  • Spazieren gehen oder den Rollstuhl schieben
  • Ausflüge in Basel
  • Kaffee trinken am Rhein und über das Leben sinnieren
  • Über spannende Themen oder einfach über den Klatsch und Tratsch aus Funk und Fernsehen plaudern
  • Zuhören
  • Einfach nur da sein

Orte, die Erinnerungen wecken

«Einmal lotste er mich an den Ort, wo er sein Leben lang mit seiner bereits verstorbenen Frau gelebt hatte. Als wir ankamen, sagte er, hier würden er und seine Frau wohnen und wir sollten zu ihm nach Hause. Meine Emotionen in diesem Moment lassen sich kaum beschreiben. Ich konnte ihm jedenfalls nur schwer beibringen, warum wir nicht hineingehen konnten. Ich glaube, er wurde sogar ein wenig sauer auf mich – denn er hat es nicht verstanden. Dieser Tag mit ihm ging mir sehr nahe.

Alles geht einmal zu Ende

Zusammen erlebten Markus und Herr S. seit diesem Tag noch viele schöne gemeinsame Momente. Markus erinnert sich: «Oft haben wir nicht mal viel gesprochen. Wir sassen einfach da und haben bei einem Kaffee gemeinsam den Rhein und die Menschen beobachtet. Es waren unglaublich gute Tage. Man muss auch nicht viel sprechen, um zu zeigen: Ich bin da für dich. Präsenz alleine bedeutet einer einsamen Person bereits viel. Doch er erzählte mir auch oft etwas. Spannend waren z.B. seine Berichte über seinen Vater: Der war wohl vor einem ganzen Jahrhundert Chef der Basler Feuerwehr.»

Doch die gemeinsame Reise ging schliesslich zu Ende: «An einem Montagmorgen klingelte das Telefon. Herr S. war in der Nacht verstorben. In den Tagen zuvor, an denen er schon sehr geschwächt war, konnte ich noch bei ihm sein.»

Bild: Wesley Haus Basel

«Tröstend sind die Erinnerungen»

«Solch ein Verlust macht traurig. Doch tröstend sind die Erinnerungen an die vielen schönen gemeinsamen Momente, die einem wieder ein Lächeln ins Gesicht zaubern: Es ist Teil des Lebens, loslassen zu können» so Markus. Die Hinterbliebenen wollten keine Abdankung und beerdigt wurde Herr S. anonym im Gemeinschaftsgrab der Stadt Basel. Markus verurteilt niemanden: «Das steht mir nicht zu.» Er fügt nur an: «Ich werde demnächst hingehen und eine Blume niederlegen. Auch in Gedenken an die vielen anderen Menschen, welche einsam und allein verstorben sind.»

GGG Benevol ist froh um Unterstützung

Markus möchte sich nun wieder einer neuen Person annehmen: «Im Wesley Haus gibt es wieder jemanden, der sich mit mir gut verstehen könnte. Nächste Woche werden wir uns kennenlernen. Auch würde ich gern zusätzlich Sterbebegleitung für Menschen leisten, die sonst niemanden mehr haben, der sie auf diesem Weg begleitet. Hierfür werde ich im Dezember die Pastorin vom Wesley Haus treffen und die Aufgabe näher kennenlernen.»

Im Wesley Haus gibt es wieder jemanden, der sich mit mir gut verstehen könnte. Nächste Woche werden wir uns kennenlernen. 
Markus (44), Freiwilliger Mitarbeitender, Wesley Haus Basel

Bild: Markus Land (Freiwilliger Helfer Aktivierung) mit Marie-France Richert (Zentrumsleiterin Wesley Haus Basel) 

Marie France Richert

Zentrumsleiterin Wesley Haus, Bethesda Alterszentren AG

Frau Richert, seit wann setzt das Wesley Hausbereits auf die Hilfe von Freiwilligen im Bereich Aktivierung?

Das Alterszentrum Wesley Haus kann seit seiner Entstehung in den 60er Jahren auf Freiwilligenarbeit zählen. In der Aktivierung konkret seit ca. 12 Jahren.

Wie viele Freiwillige gibt es aktuell im Wesley Haus?

Wir zählen aktuell 35 Freiwillige: 26 Frauen und 9 Männer. Vereinzelt stellen sich Freiwillige für verschiedene Bereiche zur Verfügung, die Mehrzahl jedoch entscheidet sich für einen spezifischen Bereich wie die Aktivierung, die Seelsorge oder auch teilweise in der Gastronomie.

Was macht die Freiwilligen im Bereich Aktivierung so wertvoll? 

Durch die Freiwilligenarbeit ist es möglich, den Bewohnenden Ressourcen, welche über unseren normalen Leistungsauftrag gehen, zukommen zu lassen. Dies in den verschiedensten Formen wie Spazieren gehen, Vorlesen, einer Spiele-Runde oder auch einer Begleitung zum Arztbesuch und, und, und… Dieses Engagement ist in Ergänzung zu unserer Aktivierungsarbeit vor allem für Bewohnende, welche keine Angehörigen oder soziale Kontakte haben sehr wertvoll.

Werden aktuell weitere Freiwillige im Wesley Haus gesucht? 

Wir sind um jeden Kontakt in unserem Freiwilligen-Pool dankbar und sehen dieses Engagement als nicht selbstverständlich an. Je mehr Personen sich engagieren, desto mehr Freude und Abwechslung können wir den Bewohnenden bieten.

Kennen Sie weitere Basler Heldinnen und Helden?

Kennen Sie Basler «Heldinnen» oder «Helden» aus dem Kanton Basel-Stadt über die wir unbedingt berichten sollten? Erzählen Sie es uns! Wir freuen uns auf viele weitere tolle Geschichten über Menschen, die Basel durch ihr Engagement zu etwas ganz Besonderem machen.

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Ekaterina Cámara

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