Anette Gehrig, Leiterin und Kuratorin Cartoonmuseum Basel
Ich bin bei Heidelberg geboren, habe in der Schweiz Kunsttheorie studiert und unter anderem im Alpinen Museum in Bern und im Stapferhaus in Lenzburg gearbeitet. Mein Traum war es immer, Ausstellungen zu konzipieren und Inhalte zu vermitteln. So bin ich schliesslich zum Cartoonmuseum in Basel gekommen und darüber bin ich bis heute sehr glücklich.
Was fasziniert dich am Cartoonmuseum?
Zum einen, dass die Vielfalt der äusseren Formen so gross ist: Es gibt Comics, Graphic Novels, Karikaturen, Animationsfilme, Reportagen, Installationen und so viel mehr. Der Kreativität des Ausdrucks der Künstlerinnen und Künstler sind wirklich keine Grenzen gesetzt. Grundsätzlich ist es eine Kunstform, die sich im Spannungsfeld zwischen gesellschaftlichen Fragen und Kunst bewegt. Das fasziniert mich jeden Tag aufs Neue. Das Cartoonmuseum ist das einzige Museum in der Schweiz, das sich ausschliesslich mit narrativer Zeichenkunst beschäftigt.
Bild: Anette Gehrig mit Lika Nüssli (links), Copyright: Cartoonmuseum Basel
Das können zum Beispiel politische Aspekte sein, aber auch soziale Themen, wie die Frage nach der Stellung der Frau in der Gesellschaft, das Älterwerden oder der Umgang mit der Natur. Das Cartoonmuseum bietet den Raum, in dem man sich mit der Perspektive von Künstlerinnen und Künstlern mit diesen Themen beschäftigen kann: nachdenken, sich weiterbilden, mit anderen und auch mit sich selbst in den Dialog treten. Und womöglich auch ab und an Antworten auf gewisse Fragestellungen und sogar Trost finden.
Auch der Raum spielt für dich dabei eine besondere Rolle.
Richtig. Wir fragen uns bei jeder Ausstellung: Wie können wir den Raum so inszenieren, dass die Themen, die in der Kunst angesprochen werden, am besten transportiert werden. Das ist jedes Mal aufs Neue eine Herausforderung und das ist mein innerer Antrieb. Inhalte, die als Buch konzipiert sind, lassen sich jedenfalls gut auch in den Raum übertragen.
Welche Bücher und Comics hast du als Jugendliche gern gelesen?
Unzählige. Darunter waren beispielsweise Bill Wattersons Comicstrip «Calvin & Hobbes» und Bücher des Karikaturisten Tomi Ungerer, dessen Arbeiten ich bis heute mag.
Bild: «Les Aventures extraordinaires d’Adèle Blanc-Sec», Casterman, BD ADO-ADULTES, 1993 | Copyright: Cartoonmuseum Basel
Wenn du eine Comicfigur wärst, welche wäre das?
Ziemlich sicher Adèle Blanc-Sec von Jacques Tardi aus der Serie «Les Aventures extraordinaires d’Adèle Blanc-Sec». Ich mag diese Frauenfigur, die als Schriftstellerin in Paris lebt. Sie recherchiert über das Leben und die Geschichte und der Comic spielt in der Belle Epoque in Paris. Es ist eine Mischung aus Fantasie und Realität. Mir gefällt der forschende, offene Geist und die unbändige Entdeckerlust der Frauenfigur. Und die fast dokumentarischen Darstellungen des Zeichners Tardi in meiner Lieblingsstadt Paris.
Cartoons und die Stadt Basel: Welche Verbindung kannst du hier ausmachen?
In Basel sind ja ganz grosse Künstler «zuhause», die die narrative Zeichenkunst weltweit prägen, wie Hans Holbein der Jüngere. Sein «Totentanz» ist ein prominentes Beispiel für narrative Zeichenkunst seiner Zeit: sie beschäftigte sich mit Fragen, die die Menschen interessierten. Der Tod nivelliert die unterschiedlichen gesellschaftlichen Ränge und verschont kein Alter. Holbein nahm das in seinen Holzschnitten meisterhaft auf und regte zum Nachdenken an.
Bild: Catherine Meurisse 2021 | Copyright: Cartoonmuseum Basel
Kindercomics wie «Mickey Maus» und die Cartoons berühmter Cartoonisten auf den Titelseiten des «New Yorker» und Co.: Was haben diese für dich gemeinsam?
Comics für Kinder dienen in erster Linie der Entwicklung. Sie sind ideal, um Themen auf lustvolle Art und Weise zu vermitteln sowie zum Nachdenken anzuregen. Ich denke, diese Vielfalt an Ausdrucksmöglichkeiten verbindet Zeichenkunst für Kinder und Erwachsene. Die Grenzen zwischen Comics für Kinder und Comics für Erwachsene sind fliessend. Gute Beispiele sind «Lucky Luke» oder «Tim und Struppi». Welcher Erwachsene mag die nicht? Aber auch für Kinder haben wir im Cartoonmuseum natürlich immer etwas Spannendes auf Lager.
Was ist dir besonders wichtig?
Sehr wichtig sind mir Kunst und Bewegung. Auf mein Velo, mit dem ich gerne unterwegs bin, würde ich nie verzichten wollen. Und ich jogge sehr gerne in der Natur und am Rheinufer. So kann ich sehr gut auftanken und mich erneut der Kunst widmen.
Wenn du jemandem danke sagen würdest, wer wäre das?
Sicherlich meiner Familie, die mich immer unterstützt, meinem Arbeitgeber und natürlich auch unseren Besucherinnen und Besuchern. Wenn Ausstellungen ihnen gefallen, ist das meine grösste Freude.
Bild: Anette Gehrig / Copyright: Cartoonmuseum Basel / Fotograf: Derek Li Wan Po
Welche Ausstellungen bleiben dir für immer in Erinnerung?
Das ist schwer zu sagen, und es wäre unfair zu werten. Aber zu meinen Lieblingsausstellungen der letzten Jahre gehören «L’Humour au sérieux» von Catherine Meurisse und «Paper Life» des wegweisenden und aktuell einflussreichsten Comickünstlers Chris Ware. Joe Saccos «Comic Journalist» war ebenfalls einzigartig und auch «Im Taumel» die Ausstellung von Lika Nüssli, die die international sehr geschätzte Schweizer Comickunst ausgezeichnet repräsentiert. Ein Blick ins aktuelle Ausstellungsprogramm lohnt sich aber immer. Denn die besten Ausstellungen liegen ganz sicher noch vor uns.
Die Basler Kantonalbank dankt Anette Gehrig vom Cartoonmuseum und allen Kuratorinnen und Kuratoren der Region von Herzen für die lebendige und vielfältige Kunst und Kultur in unserer Stadt.
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