Gaetano Florio
Gaetano, in diesem Jahr wird das FLOSS 25. Du hast das Festival im Laufe der ganzen Jahre wachsen sehen. Wie hat es sich verändert?
Ich habe viele Momente miterlebt: von der Nachbarschaftsklage bis vor Bundesgericht, die abgewiesen wurde, bis zu vielen anderen Herausforderungen wie Hochwasser oder die zwei Jahre Pandemie, in denen wir unter erschwerten Umständen durchgespielt haben. Da waren immer viele Emotionen im Spiel und es gab oft ein Auf und Ab. Das FLOSS hat sich jedenfalls prächtig entwickelt und im Laufe der Zeit auch verändert. Wir haben jetzt viel mehr Besucherinnen und Besucher als in der Anfangszeit, haben vieles professionalisiert und das FLOSS Festival Basel ist eine Institution geworden.
Wie wurdest du eigentlich Programm- und Produktionsleiter vom FLOSS?
Ich war damals Vorstandsmitglied vom Musikbüro Basel, ehemals «Rockförderverein Basel» und Tino Krattiger fragte mich 2015, ob ich beim Booking unterstützen könne. Natürlich war ich froh und habe direkt zugesagt. Zuerst übernahm ich nur die Programmverantwortung und dann auch die Produktionsleitung. Seitdem bin ich quasi in Personalunion für beides – Programm und Produktion – verantwortlich und bade aus, was ich mir selber eingebrockt habe.
Erzähl uns von deiner Zusammenarbeit mit FLOSS-«Kapitän» Tino Krattiger.
Sie ist sehr eng und oft auch emotional. Aber sie ist sehr professionell und die beste Art der Zusammenarbeit die ich mir vorstellen kann. Tino hat die Budgethoheit, ich die Programmhoheit. Wenn wir die Buchungsphase beenden sind wir hochzufrieden, dass wir wieder einmal diesen Meilenstein erreicht haben – auch wenn es nicht leicht und zum Teil wie die Quadratur des Kreises war. Doch wann ist ein kreativer Prozess schon einfach? Ich würde es nicht anders wollen.Wie ein Gastgeber, der zum Z'nacht Gäste eingeladen hat. Er überlegt sich dann, was seine Voraussetzungen sind und was er denn kochen könnte – und hat den Geschmack seiner Gäste dabei im Sinn: Peter mag Fleisch, Vreni mag Rotwein etc.… So ist es auch bei mir. Ich weiss: es kommen insgesamt rund 60 000 Zuschauer, ich kann eine Band pro Abend zeigen, wir haben eine freiwillige Abendkollekte aber auch Sponsoreninteressen. Allem voran steht der kulturelle Anspruch an mich selbst. Wenn ich fertig bin, präsentiere ich Tino meine «Menüvorschläge» aus den verschiedenen musikalischen «Gängen» und die Diskussion beginnt…
Was macht für dich den besonderen Reiz vom FLOSS aus?
Ein grosser Teil unseres Publikums kommt wegen dem unvergleichlichen Festival-Ort auf der Treppe am Rhein – einem der schönsten Orte in Basel. Das FLOSS ist ein absolut einmaliges Phänomen: zum einen wären da drei Wochen lang tägliche Auftritte von exklusiven Künstlerinnen und Künstlern mitten auf dem Wasser… Hier kann man einfach einen Picknick-Korb zum Rheinbord mitnehmen und ganz ungezwungen jeden Tag mediterranes Feeling nach der Arbeit erleben… Wo gibt es das schon? Die atmosphärische Basler Stadtkulisse sorgt für ein einzigartiges Sommererlebnis mit Feriengefühl. Und das ohne täglich 100 oder mehr Franken für ein Ticket zahlen zu müssen. Wir sind dankbar, wenn die Kollekte-Netze der Matrosinnen und Matrosen gefüllt sind – vielen Dank dafür. Und auch wenn man seinen Abfall wieder mitnimmt.
Wie beeinflussen aktuelle Musiktrends deine Entscheidungen beim Booking?
Das FLOSS ist kein trendiges Jugendfestival. Ich fühle mich auch nicht genötigt, Jahr für Jahr neuen Trends aufzuspringen. Ich versuche vielmehr die Handschrift «Florio» reinzubringen. Die ist am Rheinufer idealerweise auch stets seh-, spür- und hörbar.
Was braucht man aus deiner Sicht noch für ein perfektes Musikfestival?
Als von Natur aus sinnliche und emotionale Person aus Neapel habe ich Melodramatik und Pathos praktisch mit der Muttermilch eingetrichtert bekommen. Dies lasse ich in meine Arbeit beim FLOSS permanent einfliessen und es bereitet mir sehr viel Freude. Wenn es mir durch meine Arbeit gelingt für positive Gänsehaut-Momente bei Publikum, Künstlern und Sponsoren zu sorgen, bin ich einfach glücklich. Grundsätzlich sollte man das was man tut, mit Leidenschaft tun. Dann wird es auch gut. Man muss auch immer wieder Neues entdecken wollen.
Was möchtest du denn am liebsten als Nächstes entdecken?
Den Weinkeller von Tino Krattiger.
Warum das?
Das ist und bleibt ein FLOSS-Insider…
Ist die Produktion eines Festivals auf fliessendem Gewässer eigentlich anders als mit festem Boden unter den Füssen?
Absolut. Da ist schon Mal der «Pape Rhein», der einfach in seinem gewohnten Rhythmus fliesst. Die Infrastruktur ist einzigartig durch den Abstand zum Rheinufer. Da ist sehr grosser Aufwand dahinter. Grundsätzlich funktionieren auf dem FLOSS extrovertierte Künstlerinnen und Künstler, die das Publikum mit auf die «Reise» nehmen am besten. Anders sieht es zum Beispiel bei reinem Instrumental aus. Der Kommunikationsbogen zum Ufer ist bei uns zentral. Und: nicht alles, was grundsätzlich an einem anderen Festival vorstellbar ist, funktioniert auch auf dem FLOSS.
Wie meinst du das?
Das ist ein besonderes Setting – beispielsweise müssen die städtische Geräuschkulisse, die vorbeifahrenden Trams auf der Mittleren Brücke oder auch der vorbeifliegende Helikopter, der im Unispital landen will, mit in Betracht gezogen werden. Das alles hat einen bestimmten Effekt und den dürfen wir nicht vernachlässigen.
Welche Rolle spielt das Festival für Basel kulturell gesehen?
Kritiker sagen: Ein Gratis-Festival macht die Konzertkultur kaputt. Das sehen wir total anders. Das FLOSS leistet einen kleinen aber wertvollen und einmaligen Beitrag an die Kultur Basels. Es stärkt unser Selbstverständnis als Kulturstadt und auch die Fremdwahrnehmung als eine Stadt, die so unglaublich viel bietet. Wir vergleichen uns bewusst nicht mit anderen Festivals. Wir sind einfach anders und auf eine Art auch einmalig.
Du hast nicht nur beim FLOSS die Programmhoheit, sondern auch im Atlantis Basel. Lassen sich da Synergien nutzen?
Durchaus. Wir konnten es schon so einrichten, dass die Musikerinnen und Musiker auf dem FLOSS und auch im Atlantis aufgetreten sind. Der Club besteht seit 1947 und ist absolut legendär: hier haben schon Pink Floyd und Genesis gespielt. Von Ende September bis Juni läuft die Clubsaison. Da kommen wir auf rund 100-150 Konzerte und Veranstaltungen im Atlantis pro Jahr, für die ich das Programm gestalte. Das FLOSS mit seinen 17 Abenden wirkt da plötzlich ganz klein dagegen. Aber von der Reichweite ist das FLOSS eine ganz andere Schuhgrösse.
Worauf freust du dich am meisten, wenn es am 6. August mit dem FLOSS wieder losgeht?
Auf 17 einzigartige Abende mit jeweils ganz eigenem Charakter. Da wären zum Beispiel «The Kolors» aus Italien, die spätestens nach ihrem Smash-Hit «ITALODISCO», der in ganz Europa in den Hitparaden landete, als «Next Big Thing» gehandelt werden. Oder Goran Bregović und seine «Wedding and Funeral Band» – ein unglaubliches Klezmer-Kollektiv für Extra-Balkan-Feeling. Auch Jazzsaxophonistin Candy Dulfer mit ihrer Tour-Band, bestehend ausschliesslich aus weiblichen Mitgliedern, die Berner Super-Crew «Chlyklass», die Tina Turner Tribute Band und noch sehr viele mehr. Am besten man begibt sich zum Rhein auf persönliche Entdeckungstour…
Das Programm macht neugierig... Und eine kleine Portion Italianità von Gaetano ist ebenfalls enthalten. Vermisst du eigentlich Italien?
Ja natürlich. Wenn es die Gesundheit erlaubt, plane ich einen Besuch im Herbst. Aber ich bin in Basel fest verankert – wie das FLOSS. (lacht)
Das Jubiläums-«FLOSS Festival Basel – 25 Jahre FEST VERANKERT» startet am 6. August und hält unsere Stadt bis zum Schlusskonzert am 24. August in Atem. Wir wünschen Basel unvergessliche Momente am Rheinufer und danken Gaetano und allen Basler Musikschaffenden dafür, dass sie unsere Stadt zum Singen und Tanzen bringen.
Die Förderung einer regionalen vielfältigen Musikkultur ist der Basler Kantonalbank ein wichtiges Anliegen. Deshalb unterstützt die BKB das Musikbüro Basel mit einer Spende von 5000 CHF.
Ekaterina Cámara
Redaktion
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