Ende September dürfte es mit den Negativzinsen vorbei sein. Viele EU-Staaten schnüren in Anbetracht der höhen Energiepreise Rettungspakete. Was macht die Schweiz? Mehr dazu von Anlagechef Dr. Sandro Merino.
Einen Tag vor der SNB, am 21. September, wird auch ein weiterer Zinsschritt der US-Notenbank (Fed) erwartet. Die Leitzinsen in den USA dürften bis Anfang 2023 von aktuell 2,5 % auf einen Wert nah bei 4 % ansteigen. Damit ist die globale Zinswende im Wesentlichen vollzogen.
Entlastungspakete für die hohen Energiekosten
In vielen europäischen Ländern und insbesondere in Deutschland wurden substanzielle Entlastungspakete für Haushalte und Unternehmen verabschiedet, um für die stark gestiegenen Energieausgaben staatliche Hilfe anzubieten. Energieausgaben machen für europäische Länder etwa 4 % bis 7 % des Volkseinkommens aus. Will der Staat eine zeitweilige Verdoppelung der Energiekosten vollständig mit einem Entlastungspaket kompensieren, dann müssten jährliche Entlastungen in obiger Grössenordnung gewährt werden. Da aber nicht alle Branchen und Haushalte auf Entlastungszahlungen angewiesen sind, kann von Entlastungspaketen in der Grössenordnung von 2 % bis 4 % der nationalen Wirtschaftsleistung ausgegangen werden.
Für Deutschland ergibt ein Bruttosozialprodukt von rund 3400 Milliarden EUR einen Entlastungsbedarf von etwa 70 bis 140 Milliarden, was auch der Grössenordnung der bisher tatsächlich beschlossenen Entlastungen entspricht. Für die EU als ganzes sind Entlastungspakete im Bereic von mehreren hundert Milliarden EUR schon verabschiedet oder in Vorbereitung. Eine analoge Schätzung für die Schweiz ergibt, unter Berücksichtigung der tieferen Energieintensität der Schweizer Wirtschaft, eine Zahl im Bereich von 5 bis 10 Milliarden CHF. Es ist derzeit unklar, ob in der Schweiz ein breites Energiekosten-Entlastungspaket nach EU-Vorbild in Betracht kommen wird.
Ob es im Winter zu Energieversorgungslücken kommen könnte, ist derzeit Gegenstand vieler Analysen und Spekulationen. Für die grösste europäische Volkswirtschaft, Deutschland, welche signifikant von russischen Gaslieferungen abhängt, haben wir Versorgungsszenarien für Gas untersucht. Wir kommen zum Schluss, dass nur die Kombination eines besonders kalten Winters mit wenig erfolgreichen Sparmassnahmen zur Rationierung von Gaslieferungen und zu gezielten Stilllegungen von Produktionsstätten führen würde.
Abkühlung der globalen Konjunktur erwartet
Die Entlastungspakete werden den privaten Konsum substanziell stützen. Dennoch wird erwartet, dass das globale Wirtschaftswachstum für 2023 deutlich unter dem Wert von 2022 von rund 3 % liegen wird. Wächst das globale BIP um deutlich weniger als 3 %, dann kann man von einer globalen Verlangsamung der Konjunktur sprechen. Für die Eurozone könnten in den nächsten zwei Quartalen negative Wachstumsraten anstehen. Aber auch die Inflation müsste aufgrund von Basiseffekten in den kommenden zwei Quartalen bereits um mehrere Prozentpunkte fallen.
Anlagestrategie
In unserer Anlagestrategie halten wir den Aktienanteil weiterhin leicht über der strategisch neutralen Quote. Wir bleiben zuversichtlich, dass die Aktienmärkte nach verlustreichen Monaten die Aufmerksamkeit wieder auf die Perspektiven im zweiten Halbjahr 2023 richten werden. Der hohe Investitionsbedarf für Transformationen und Innovationen in vielen Branchen und Regionen könnten dann wieder für einen zuversichtlicheren Ausblick sorgen. Eine annehmbare diplomatische Lösung des Krieges in der Ukraine könnte aufgrund des immer offensichtlicheren Scheiterns der russischen Armee greifbarer werden.
Dr. Sandro Merino
Chief Investment Officer und Leiter BKB Asset Management
Erfahren Sie aus erster Hand die Einschätzungen unseres Chief Investment Officers, Dr. Sandro Merino, und überprüfen Sie Ihre Anlagestrategie mit Ihrer Kundenberaterin oder Ihrem Kundenberater.