Investment Letter 11/24

- Trump siegt überraschend deutlich
- US-Notenbank senkt den Leitzins
- Deutsche Ampelkoalition beendet – Neuwahlen

Chief Investment Officer Sandro Merino beleuchtet aktuelle Wirtschaftsthemen in der November-Ausgabe des Investment Letters.
Am 11.11.2024 in Investment Letter von Dr. Sandro Merino

Trump siegt überraschend deutlich

Die von ausserordentlichem Interesse begleiteten US-Wahlen fanden am Ende ein überraschend klares Ergebnis. Bei Redaktionsschluss stehen noch nicht alle Wahlergebnisse definitiv fest, Donald Trump erreicht aber eine überaus klare Mehrheit und gewinnt in allen Swing States. Auch im Senat gibt es neu eine republikanische Mehrheit. Die Auszählung für die grosse Kammer, das Repräsentantenhaus, ist noch im Gange. Derzeit zeichnet sich aber auch für die grosse Kammer eine republikanische Mehrheit ab. Sollte sich dies bestätigen, dann könnte Donald Trump für die kommenden zwei Jahre mit einer parlamentarischen Mehrheit wirksam regieren.

Das überraschend klare Ergebnis hat an den Finanzmärkten für Erleichterung gesorgt. Jene für dieses Szenario erwarteten Reaktionen sind auch tatsächlich eingetreten: US-Aktien haben seit Anfang November rund 5 % (in CHF gerechnet) zugelegt, während Schweizer und deutsche Aktien sich lediglich seitwärts bewegt haben. Die Zinsen für US-Staatsanleihen sind in einer ersten Reaktion stark angestiegen, was als Ausdruck der Sorge über die erwartete weitere enorme Ausdehnung der US-Staatsverschuldung gesehen wird. In den Folgetagen hat sich dieser Anstieg jedoch etwas relativiert. Es bleibt die Sorge vor einer weiteren Ausdehnung der US-Staatsverschuldung als zentrales Thema, wenn die ökonomischen Risiken der Trump-­Präsidentschaft diskutiert werden. Schon die Biden-Administration hat ein gigantisches schuldenfinanziertes Ausgabenplus (Fiskaljahr 2024) von rund 1833 Milliarden USD erzeugt. Es wird erwartet, dass Trumps Finanzloch für das Rechnungsjahr 2025, das im September 2025 endet, erheblich grösser werden könnte. Die geplanten Steuersenkungen dürften zusätzliche grosse Löcher in den Staatshaushalt schlagen. Bis zum Ende von Trumps Amtszeit könnte die Staatsverschuldung von aktuell 100 % der US-Wirtschaftsleistung in Richtung 120 % ansteigen. Dies vergrössert das Stabilitätsrisiko für die Weltwirtschaft, welche auf dem USD fundiert ist. Insbesondere dann, falls Trumps Verheissung eines goldenen Zeitalters mit viel Wachstum, tiefen Zinsen und niedrigen Energiepreisen nicht wahr werden sollte. Dennoch sind die Aktienmärkte kurz nach Trumps Wahl zuversichtlich über die Aussichten. Ob Trumps Plan nachhaltig für Wachstum und Wohlstand sorgen wird, kann aber erst in einigen Jahren beurteilt werden. Derart weit schauen Aktienmärkte nicht voraus und fokussieren auf die kurzfristigen Chancen, die sich aus der Erwartung steigender Unternehmensgewinne ergeben.

US-Notenbank senkt den Leitzins

Am 7. November hat die US-Notenbank den Leitzins wie erwartet um 0,25 Prozentpunkte auf 4,75 % gesenkt. Weitere Zinssenkungen werden für die kommenden Monate erwartet. Fast mehr Interesse als der Zinsentscheid selbst erzeugte die direkte Frage einer Journalistin, ob Donald Trump den Notenbank-Präsidenten entlassen könne. Jerome Powell beantwortete die Frage mit einem trockenen «Nein» und verwies anschliessend auf die Rechtslage, nach welcher der US-Präsident diese Kompetenz nicht habe. Wir gehen davon aus, dass die essenziell wichtige institutionelle Unabhängigkeit der US-Notenbank auch durch die Trump-Administration nicht beeinträchtigt werden wird. Auch für die EUR- und CHF-Leitzinsen wird am 12. Dezember eine Senkung um je 0,25 Prozentpunkte erwartet. Für den Zinsentscheid der Schweizerischen Nationalbank zeichnet sich gar die Möglichkeit eines Schrittes von 0,5 Prozentpunkte ab, zumindest ist dieses Szenario in den Zinserwartungen teilweise eingepreist. Der sich fortsetzende Zinssenkungszyklus dürfte den Aktienmärkten bis weit ins nächste Jahr Unterstützung bieten.

Deutsche Ampelkoalition beendet – Neuwahlen

Mit der Entlassung des Finanzministers Christian Lindner durch den Bundeskanzler Olaf Scholz ist die Ampel­koalition beendet. Auf der Basis des Grundgesetzes sind nun Neuwahlen vorgesehen. Umstritten ist derzeit noch die Frage des Wahltermins, welcher davon abhängt, wann der Bundeskanzler im Parlament die Vertrauensfrage stellen wird. Derzeit steigt der Druck auf den Bundeskanzler, den Weg für Neuwahlen früher als von ihm angekündigt freizugeben. So könnten Neuwahlen bereits im Januar stattfinden. Aus heutiger Sicht ergibt sich aus jüngsten Wahlumfragen die Perspektive einer Rückkehr zu einer «GroKo» von CDU/CSU und SPD. Das jüngste Erstarken der in Teilen rechtsextremen AfD wirft einen Schatten über die Wahlprognosen. Das kommende Wahlergebnis birgt das Risiko politischer Instabilität für Deutschland, welche potenziell für ganz Europa weitreichende Folgen haben könnte.

USA: Wirtschaft weiterhin in guter Verfassung

Nachdem das US-BIP bereits im 2. Quartal stärker zulegen konnte, deutet auch die erste Schätzung für das 3. Quartal auf eine erneut gute Entwicklung hin. Mit einem Anstieg des BIP um 2,8 % (QoQ, annualisiert) liegt der Wert erneut über dem langjährigen Durchschnitt von 2,1 %. Ein wichtiger Treiber für die gute Verfassung der US-Wirtschaft ist dabei der private Konsum, der gemäss den vorläufigen Zahlen um hohe 3,7 % zulegen konnte. Auch für das 4. Quartal lässt das Konsumentenvertrauen des Conference Board auf eine gute Entwicklung der Konsumausgaben hoffen. Das Stimmungsbarometer (Abb. 1) hat entgegen der Prognosen zugelegt. Der in Bezug auf die neu geschaffenen Stellen eher schwache Arbeitsmarktbericht für Oktober dürfte die Aussichten vorderhand nicht trüben, waren die Daten doch durch Sonderfaktoren verzerrt. Hier ist deshalb abzuwarten, wie sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt im November darstellt. Der Einkaufsmanagerindex für die Industrie liegt zwar weiterhin im kontraktiven Bereich, der Index für den Dienstleistungsbereich, der den Grossteil der Wirtschaft repräsentiert, verspricht dagegen eine Expansion.

Abb. 1: USA – Konsumentenvertrauen

Eurozone: BIP stärker als erwartet

Auch in der Eurozone hat die Veröffentlichung der Wachstumsraten des BIP für eine positive Überraschung gesorgt. Der Anstieg von 0,4 % (QoQ, nicht annualisiert) ist doppelt so stark ausgefallen wie prognostiziert. Annualisiert entspricht das Plus einer Rate von rund 1,6 %. Positiv ist auch zu werten, dass die Arbeitslosenquote zuletzt weiter gesunken ist. Sie bewegt sich mit 6,3 % (Abb. 2) auf einem neuen Tief. An den Aussichten für 2025 ändert sich damit aber nichts. Die Frühindikatoren deuten weiterhin auf eine leicht positive, aber schwache Konjunkturdynamik hin. Die durchschnittliche Prognose für 2025 beträgt 1,2 %. Diese erachten wir aktuell als eher ambitiös.

Abb. 2: Eurozone - Arbeitslosenquote

Schweiz: Anstieg des KOF-Indikators von kurzer Dauer

Nachdem das KOF-Konjunkturbarometer im September überraschend zulegen konnte, hat es im Oktober wieder an Boden verloren. Mit 99.5 Punkten bewegt es sich nahe seinem langfristigen Durchschnitt (Abb. 3). Auch die Einkaufsmanagerindizes liefern keinen Grund für eine deutlich positive Konjunkturerwartung. Der Index für die Industrie wie auch jener für den Dienstleistungsbereich bewegen sich nahe der kritischen 50-Punkte-Marke und signalisieren eine positive, aber unterdurchschnittliche Konjunkturdynamik. Die Konsensprognose von 1,4 % für 2025 erscheint deshalb zumindest Stand heute etwas optimistisch.

Schweiz: KOF-Konjunkturbarometer

Fed senkt ein weiteres Mal den Leitzins

Die US-Notenbank (Fed) hat den Leitzins um einen Viertelprozentpunkt auf die Spanne von 4,50 bis 4,75 % gesenkt. Gemäss der Fed wächst die US-Wirtschaft weiter in einem soliden Tempo. Zudem hat sich die Inflation dem längerfristigen Ziel der Fed von 2 % deutlich angenähert. Der US-Arbeitsmarkt sei «solide», stellte Fed-Chef Jerome Powell klar, auch wenn sich die Zahl der neu geschaffenen Stellen in den vergangenen Monaten etwas abgeschwächt hat. Es gehe aus seiner Sicht aber kein erheblicher Inflationsdruck vom Arbeitsmarkt aus. Von steigendem Interesse ist die Frage, wie es mit der US-Zinswende weitergeht. Dabei steht insbesondere die Rückkehr von Donald Trump ins Weisse Haus im Mittelpunkt und wie sich seine Politik auf die Zinspolitik der Fed auswirken wird. Aktuell ist die US-Notenbank nicht gezwungen, ihren restriktiven geldpolitischen Kurs rasch zu beenden. Die Wirtschaft und der Arbeitsmarkt sind solide und die Inflation hat fast den Zielwert der Fed erreicht. Sollten sich die ersten Massnahmen der Trump-Regierung jedoch als inflationstreibend erweisen, dürfte die Fed vorsichtiger agieren.

Ausblick

Die Anleihemärkte beidseits des Atlantiks haben sich im Oktober unterschiedlich entwickelt. Seit Mitte September ist die Rendite der 10-jährigen US-Staatsanleihen um 0,60 Prozentpunkte auf rund 4,2 % gestiegen. Die Rendite der 10-jährigen deutschen Staatsanleihen ist um 0,35 Prozentpunkte auf rund 2,4 % geklettert. Hingegen hat sich die Rendite der 10-jährigen Schweizer Staatsanleihen vergleichsweise wenig bewegt und notierte Ende Oktober mit einem leichten Minus bei rund 0,28 %. Die zweite Amtszeit von Donald Trump bringt sowohl Chancen als auch Herausforderungen für die US-Wirtschaft und die Finanzmärkte mit sich. Sein Sieg könnte zu einer leichten Verschärfung der geldpolitischen Bedingungen führen, vor allem wenn seine Politik die Inflation durch Zölle und Handelsbeschränkungen in die Höhe treibt. Eine höhere Inflation und eine restriktivere Haltung der Fed würden Risiken für festverzinsliche Anlagen darstellen. Wir favorisieren weiterhin globale Unternehmensanleihen (mit Fokus auf die USA) und behalten unsere leichte Untergewichtung bei den Obligationen in CHF bei.

Abb. 1:Immobilienmarktentwicklung

Schweizer Immobilienmarkt

Der Oktober hinterlässt einen gemischten Eindruck auf die kotierten Immobilienmärkte. Im ersten Monat des finalen Jahresquartals konnten die Fonds nochmals deutlich um 2,3 % zulegen und liegen nun seit Jahresbeginn bei einem Zuwachs von 12,4 %. Die Aktien hingegen gaben zum ersten Mal seit Februar um etwas mehr als 1 % nach, liegen aber seit Jahresbeginn mit 7,7 % auch deutlich im Plus. Bislang ist 2024 ein sehr gutes Jahr für Immobilienanlagen (Abb. 1).

Die Markttechnik bleibt sowohl für Aktien – trotz der Korrektur – als auch für die Fonds positiv. Auch die Nachfrage nach Immobilienprodukten sprudelt. In diesem Jahr werden mehr Kapitalmarkttransaktionen (meist Kapitalerhöhungen, aber auch Kotierungen und Produktzusammenlegungen) durchgeführt als in den vergangenen 5 Jahren. Mit dem frischen Geld wurden entweder Liegenschaften erworben oder die Hypotheken reduziert.

Fundamental bleibt die Nachfrage nach Wohnraum stabil. Es sind steigende Substanzwerte, stabile oder steigende Mieten und sinkende Leerstände zu beobachten. Auch die Ausschüttungsrenditen der Fonds sind mit durchschnittlichen 2,5 % auf Indexebene sehr attraktiv. Sinkende Zinsen und rückläufige Inflation verbessern weiterhin die Grundlagen für Schweizer Immobilienmärkte. Insgesamt bleiben die Fonds bei mittleren Aufgeldern von 25 % fair bewertet, allerdings in einer Bandbreite von knapp 50 % bis zu einem Abschlag von rund 20 %.

Wir halten an unserer neutralen Gewichtung von 5 % im Segment der indirekten Immobilienanlagen fest.

Volatile Aktienmärkte im Oktober

Die Aktienmärkte zeigten sich im Verlauf des Oktobers volatil und tendierten überwiegend schwächer. Die US-Wahlen und die Furcht vor stärkerem Protektionismus schürten Zweifel an den Wachstumsaussichten und trugen zur Verunsicherung der Investoren bei. Ein stärkerer US-Dollar verhalf jedoch dazu, dass der US-Aktienmarkt aus Sicht von Schweizer Investoren dennoch ein positives Monatsergebnis erwirtschaftete. Dagegen trug die Yen-Schwäche zu einem Plus bei den exportorientierten japanischen Aktien in Lokalwährung bei, das jedoch durch die Währungsverluste gegenüber dem Schweizer Franken aufgezehrt wurde. Schwellenländeraktien erlitten ebenfalls Verluste, nachdem das durch staatliche Stimuli angefachte Kursfeuerwerk am chinesischen Aktienmarkt zumindest vorerst wieder erloschen ist (Abb. 1).

Auf Sektorenbasis reagierten die regionalen Aktienmärkte eher uneinheitlich. Global zeigten sich angesichts gestiegener Renditen für langlaufende Staatsanleihen zinssensitive Sektoren wie Verbrauchsgüter und Immobilienaktien schwächer als der Gesamtmarkt, ebenso Titel aus dem Grundstoffsektor. Dagegen war die Performance von Finanztiteln und Kommunikationsdienstleistern weltweit meist überdurchschnittlich.

Geschäftszahlen für Q3/2024

Zum Monatsende hatten 70 % der Unternehmen aus dem S&P-500-Index ihre Geschäftszahlen für das dritte Quartal veröffentlicht, von denen 75 % positive Gewinnüberraschungen bargen. Dies allerdings auf moderatem Niveau, das Gewinnwachstum gegenüber dem Vorjahresquartal wird gemäss Factset für den Index mit gut 5 % erwartet. Am höchsten war das Wachstum der US-Quartalsgewinne in den Sektoren Kommunikationsdienstleister und Gesundheit, am niedrigsten bei Energietiteln und Grundstoffunternehmen. Für das kommende Jahr rechnen die Analysten derzeit mit sehr robusten Gewinnsteigerungen im Bereich von 15 % für den Gesamtindex (Abb. 2). Ein derart positives Gewinnwachstum würde auch helfen, die derzeit hohen Bewertungen am US-Aktienmarkt zu rechtfertigen.

Abb. 1: Regionale Aktienperformance im Oktober

Beiträge zum Net Total Return in CHF

Anlagestrategie

Wir sind bei den Aktien weiterhin nahe der strategischen Quote, also neutral, positioniert. Während die US-Wahlen für Unsicherheiten gesorgt haben, geopolitische Spannungen Risiken bergen und teils hohe Bewertungen wenig Puffer bieten, sind die konjunkturellen Aussichten zwar unterdurchschnittlich, aber positiv. Auch der Trend abnehmender Inflationsraten und sinkender Leitzinsen bietet Unterstützung für die Aktien.

Abb. 2: Gewinnwachstum S&P 500

Veränderung gegenüber dem Vorjahresquartal/Vorjahr in %

Rechtliche Informationen

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