Zum Weltfrauentag fragen wir, warum Frauen in Führungspositionen häufig immer noch untervertreten sind. Divers zusammengesetzte Teams sind erfolgreicher, denn sie profitieren von den verschiedenen Eigenschaften und Sichtweisen der weiblichen und männlichen Mitglieder. Seit kurzem gibt es bei uns die Initiative «Expedition Diversity», in der sich Frauen für mehr Diversität bei der Basler Kantonalbank einsetzen. Ein Interview mit den Bankrätinnen Jacqueline Henn Overbeck und Karoline Sutter Okomba.
Habt Ihr in Euren Karrieren und Eurem Umfeld Ungleichheiten in Bezug auf Chancen oder Lohn erlebt?
Jacqueline Henn Overbeck: Ich arbeite ja an der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Uni Basel und dort wurden in den letzten Jahren offene Professuren zu etwa zwei Drittel von Frauen besetzt. Das finde ich sehr erfreulich. Trotzdem ist es befremdlich, dass bei den Frauen die Anzahl Kinder eine Information wert ist, bei Männern jedoch nicht.
Karoline Sutter Okomba: Ich habe einmal erlebt, dass mein Nachfolger für die identische Stelle wesentlich besser entlohnt wurde. Wenn für dieselbe Funktion und denselben Ausbildungsstand ein Mann zwei Lohnklassen besser eingestuft wird, dann stimmt etwas nicht.
Wie geht Ihr heute mit allfälligen Chancenungleichheiten im Alltag um?
Henn Overbeck: Ich schlage gezielt Frauen vor, wenn es um die Besetzung von Positionen geht. Das heisst: Ich nenne konkrete Namen und hebe die Qualitäten der genannten Frauen hervor, so dass sie sichtbar werden.
Sutter Okomba: Ich unterstütze auf jeden Fall die Quotenregelung. Sie stellt sicher, dass genügend Frauen zu Vorstellungsgesprächen eingeladen werden, denn es gibt unbestritten sehr viele qualifizierte Bewerberinnen. Sie müssen die Chance bekommen, sich präsentieren zu können.
Es gibt einen weiteren wichtigen Punkt für das berufliche Fortkommen: konstante Weiterbildung.
Was ist Eure persönliche Strategie für berufliches Fortkommen?
Henn Overbeck: Ehrlich gesagt: Ich bin gut in den Dingen, die mir Spass machen, und kann mich so exponieren. Auch die Bedeutung von Netzwerken kann nicht genug betont werden. Am besten engagiert man sich in einem Netzwerk von Menschen, die sich mit Themen beschäftigen, in die man selbst vordringen will.
Sutter Okomba: Es gibt aber noch einen weiteren wichtigen Punkt für das berufliche Fortkommen: konstante Weiterbildung. Ich empfehle, immer an den Themen, die einem wichtig sind, dranzubleiben, sich zu entwickeln und konstant zu lernen.
Die Zahlen zeigen ja weiterhin Unterschiede zwischen Frauen und Männern bei Beförderungen oder Löhnen. Wie erklärt Ihr Euch das?
Sutter Okomba: Ich sehe zwei wesentliche Gründe dafür. Der eine ist die Mutterschaft. Leider wirft sie die Frauen immer noch in ihrer Karriere zurück. Der zweite Grund: Frauen ziehen sich häufig zurück, wenn das Arbeitsklima für sie nicht stimmt. Man muss bei beiden Punkten ansetzen: mit betrieblichen Angeboten für Mütter und einer veränderten Unternehmenskultur.
Henn Overbeck: Ich will als Ursache mal das Stichwort «homogene Gruppen» in den Raum werfen. Erst wenn eine kritische Anzahl von Gruppen-Mitgliedern erreicht ist, die nicht so homogen sind, bricht das Ganze auf. Heisst konkret: Je weniger divers Führungsteams in ihrer Zusammensetzung sind, desto schwieriger ist es für Frauen, hineinzukommen. Um den zu knacken, helfen wahrscheinlich nur Quoten. – Ein weiterer Punkt: Frauen netzwerken weniger, denn ihnen fehlt die Zeit, da sie neben dem Beruf meist die volle Verantwortung für Haus und Kinder haben. Aber es ist einiges im Umbruch: Viele junge Väter überwinden althergebrachte Rollen und übernehmen mehr und mehr auch Betreuungsarbeiten.
Welche Rolle spielen Stereotype, die sogenannten «Unconscious Biases», also die im «Gehirn einprogrammierten Vorurteile»?
Henn Overbeck: Ich glaube, das Problem liegt in der unterschiedlichen Beurteilung des gleichen Verhaltens. Manche Verhaltensweisen sind bei Frauen überhaupt nicht gefragt, Männer hingegen kommen damit gut durch. Solche Muster sind immer noch in unseren Köpfen verankert.
Sutter Okomba: Ich erinnere mich an einen Vorgesetzen, der einmal stolz geäussert hat, er hätte auch schon versucht, eine Frau zu fördern. Diese hätte sich dann aber doch für die Mutterschaftspause entschieden. Daraufhin habe ich entgegnet, dass es doch sicher auch schon eine negative Erfahrung mit einem männlichen Bewerber gab, den er zu fördern gedachte. Ich wollte dem besagten Abteilungsleiter damit vor Augen führen, dass eine einzige negative Erfahrung mit einem Mann sicher kein Grund für ihn ist, keine Männer mehr einzustellen.
Wovon profitieren Teams denn generell, wenn sie divers zusammengesetzt sind?
Henn Overbeck: Eine Studie des Credit Suisse Research Institute von 2012 hat diesbezüglich 2400 globale Unternehmen untersucht. Sie kam zu dem Ergebnis, dass Unternehmen mit mindestens einem weiblichen Boardmember höhere Returns on Equity,ein höheres Net Income-Wachstum sowie eine bessere Aktienkursperformance verzeichnen als Firmen ohne Frauen. Mittlerweile gibt es etliche Belege dafür, dass diverse Teams bessere Ergebnisse bringen. Es wird mehr hinterfragt und es kommen öfter neue Fakten auf den Tisch.
Sutter Okomba: Ich weiss, dass Nokia in statistischen Untersuchungen herausgefunden hat, dass Frauen eine ganz andere Akzeptanz haben, wenn IT-Applikationen nicht funktionieren. Um auf uns zu kommen: Wenn wir im Konzern Apps entwickeln, dafür aber nur männliche Teams einsetzen und am Ende alles auch nur mit männlichen Probanden testen, dann haben wir am Ende mit Sicherheit eines: eine schlechte Akzeptanz bei unseren Kundinnen.
Welches sind kulturelle Hürden auf dem Weg zu mehr Chancengleichheit und wie kann man sie überwinden?
Sutter Okomba: Es ist relativ simpel: Wir brauchen mehr Frauen, damit sich die Kultur ändert. Und wir müssen die kulturelle Veränderung aktiv führen. Aber die Unternehmen und das Recruiting müssen das auch wollen.
Henn Overbeck: Um dies zu erreichen, brauchen wir am Anfang wahrscheinlich eine Quote. Solange wir nur Männer, homogene Gruppen und entsprechende Netzwerke haben, wird sich die Situation nicht ändern. Wir müssen revolutionär und anders denken.
Macht, was euch interessiert und herausfordert, exponiert euch, auch wenn es um ein schwieriges Projekt geht.
Wie können Männer zu mehr Chancengleichheit beitragen?
Henn Overbeck: Sie müssen Frauen in typische Männerpositionen holen. Bei uns im Bankrat ist das schon so: In typischen Männerbereichen sitzen bei uns auch Frauen.
Sutter Okomba: Wichtig ist, dass die Männer ihre Stereotypen und Vorurteile hinterfragen – und das sage ich nicht ohne Grund: Bei einem Event sagte ein Verwaltungsratspräsident sinngemäss, dass weibliche Kollegen ja ganz nützlich wären, beispielsweise im Marketing oder HR. Da dachte ich: Es ist doch noch ein weiter Weg.
Was wollt Ihr den Frauen mitgeben?
Sutter Okomba: Hartnäckigkeit gepaart mit Offenheit sind zwei wichtige Aspekte. Und: Wir müssen unsere täglichen Lebensabläufe neu erfinden, damit wir uns nicht aufreiben zwischen Kindern, Job und Haushalt. Ich führe mit Frauen immer wieder Gespräche, die sich um die Frage drehen, was man anders machen könnte. Ich sage: Werdet diesbezügliche kreativer im Denken.
Henn Overbeck: Das erste, was ich den Frauen mitgeben will: Macht, was euch interessiert und herausfordert. Die zweite Empfehlung: exponiert euch, z.B. wenn es um ein schwieriges Projekt geht. damit ihr wahrgenommen werdet. Und die dritte heisst: netzwerken, netzwerken, netzwerken und von Rollenvorbildern lernen.