Längst vergangen sind die Zeiten, als Aktien nur etwas für Reiche und Sprüche wie «Gut Ding will Weile haben» angesagt waren. Geschichten über Kleininvestoren, die über Nacht mit wenig Ahnung aber viel Glück reich geworden sind, haben kürzlich hingegen alle gehört. Naheliegend deshalb der Gedanke: «Was die können, kann ich schon lange.» Die Schweiz ist im Börsenfieber; schliesslich ist der Zins auf dem Konto marginal und der Traum vom schnellen Geld dank Bitcoins oder GameStop scheinbar nur ein paar Klicks entfernt.
2020 wurden an der Schweizer Börse 50 Prozent mehr Transaktionen abgewickelt als im Vorjahr. Die Digitalisierung und Online-Plattformen haben das Traden massentauglich gemacht; ermöglichen das «Sell» und «Buy» im Minutentakt. Selbst konservative Sparer, die bislang ihre Finger davon gelassen haben, kaufen inzwischen Aktien, Optionen und Kryptowährungen mit der gleichen Unbekümmertheit wie ihr tägliches Brot beim Bäcker. Die Meinung, dass es generell nur eine Richtung gibt – nämlich bergauf – hält sich dabei fast so hartnäckig wie ein Kaugummi in der Haarsträhne. Schliesslich übersteigen die Börsenindizes nach einem kurzen, coronabedingten Taucher immer wieder neue Allzeithöchst. In den USA, in Deutschland und auch in der Schweiz.
Der verfluchte Knick in der Kurve
Was dabei oft vergessen geht: Gerade Titel, die rasch an Wert zulegen und schnelle Gewinne versprechen, sacken meist mit halsbrecherischem Tempo irgendwann wieder ab. Oft ohne erklärbaren Grund und eigentlich immer ohne Vorwarnung. Ende 2017 war ein Bitcoin schon fast 20 000 US-Dollar wert, um dann unvermittelt wieder bis auf 3000 US-Dollar zu fallen. Im Zuge der Coronakrise ist der Kurs dann im April dieses Jahres bis auf 60 000 US-Dollar gestiegen, um dann nur kurze Zeit später die Hälfte des Wertes wieder zu verlieren.
Das gleiche Spiel bei GameStop: Wer die Aktie Anfang 2021 für rund 20 US-Dollar kaufte, hätte sie zwei Wochen später dank einer über die Internet-Plattform «Reddit» konzertierten Aktion von Kleinanlegern mit einem Gewinn von 330 US-Dollar pro Aktie wieder verkaufen können. Pech für all jene, welche die Wende nicht haben kommen sehen. Denn nur gerade eine Woche später korrigierte die Aktie schon wieder auf ihren früheren Wert. Wer Glück hat, weil er genau im richtigen Moment kauft und wieder verkauft, wird reich. Wann jedoch der richtige Zeitpunkt ist, weiss man immer erst im Nachhinein – nämlich dann, wenn er vorbei ist.
Den idealen Moment kennt man erst, wenn er schon vorbei ist
Wer einmal Geld verloren hat, gibt so schnell nicht auf. Meint, aus seinen Erfahrungen Lehren ziehen zu können. Und nimmt sich vor, beim nächsten Investment alles besser zu machen: sich im Bekanntenkreis zu informieren, Berichte von Analysten zu lesen, Wirtschaftszahlen zu verfolgen und die Charts zu studieren. Und deshalb bald glaubt, das Börsengeschehen beherrschen bzw. Kursentwicklungen voraussehen zu können. Längst vorbei sind jedoch die Zeiten, als die Entwicklung des Börsenkurses an den Wert des jeweiligen Unternehmens gekoppelt und damit zumindest teilweise vorhersehbar war. Heute sind die Aktienkurse Spielball von Spekulanten, verändern ihre Richtung oft willkürlich und sind zumindest in der kurzen Frist praktisch nicht vorhersehbar.
Wenn das Spiel zur Sucht wird
Auch wenn der erste Nervenkitzel vorbei und bereits grosser Schaden entstanden ist, können die wenigsten einfach so aufhören. Sie versuchen um jeden Preis, das verlorene Geld wieder reinzuholen, in der Hoffnung, dass das Pendel irgendwann in die andere Richtung schwingt. Der Schuldenberg wächst und mit ihm meist auch die Verzweiflung und die Scham über die eigene Unvernunft. Der Traum vom schnellen Geld wird zum Albtraum. Der Weg aus der Unglücksspirale führt nicht selten über die Schuldenberatung und die Therapie.
Weil gut Ding eben doch Weile hat
Fazit: Der Traum vom schnellen Geld lässt sich einfacher als Tellerwäscher als an der Börse verwirklichen. Was nicht heisst, dass Börseninvestments nicht auch etwas Gutes hätten. Sinnvoll sind sie für Laien aber eigentlich nur dann, wenn der Anlagehorizont langfristig ist und man kurzfristig nicht auf das investierte Geld angewiesen ist. Hektisches Trading lohnt sich meistens nicht. Auch wenn gerade die Anbieter der Börsen-Apps und Online-Plattformen das Gegenteil vorgaukeln; sie Kauf und Verkauf zum Kinderspiel machen und ihre Kunden durch Push-Nachrichten über Erfolgsstorys oder Titel, die gerade durch die Decke schiessen, zum Handeln anstacheln. Denn um an der Börse erfolgreich sein Vermögen vermehren zu können, braucht es mehr als nur Glück. Es braucht vor allem Geduld und Disziplin. Und idealerweise auch eine auf die individuellen Bedürfnisse, Ziele und Möglichkeiten abgestimmte Anlagestrategie.
5 Tipps
Damit die Börse nicht zum Albtraum wird
Hohe Gewinne sind mit einem hohen Risiko verbunden.
Immer. Deshalb bleiben Sie bescheiden und realistisch.
Je langfristiger der Anlagehorizont, umso besser.
Ein langer Zeithorizont verkleinert bei risikoreichen Anlagen – wie z.B. Aktien – die Gefahr von Verlusten.
Den optimalen Einstiegszeitpunkt gibt es nicht.
Deshalb lohnt es sich, gestaffelt über die Jahre verteilt zu investieren.
Nicht alles auf eine Karte setzen, sondern das Risiko verteilen.
Mit einem Fonds – wie z.B. einer Anlagelösung der BKB – kann das Risiko auch bei einem kleinen Investment breit gestreut werden.
Träume erfüllen sich nicht über Nacht.
Auch nicht der vom schnellen Geld.